Die Corona-Pandemie hat dem Homeoffice weltweit einen Schub gegeben, so auch in der Schweiz. Zeit für eine Zwischenbilanz, wie sich die Telearbeit auf die Produktivität der Unternehmen und die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden auswirkt. Viele Gründe sprechen dafür, dass Homeoffice künftig viel weiter verbreitet sein wird als vor der Krise.
Wie verbreitet ist Homeoffice?
Rund drei Viertel der Schweizer Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor. Hier gibt es überdurchschnittlich viele Stellenprofile, die keine persönliche Präsenz erfordern und sich daher für Telearbeit eignen. Im Jahr 2001 arbeitete weniger als jeder zehnte Erwerbstätige in der Schweiz manchmal von zu Hause aus. Noch vor einem Jahr, also vor der Pandemie, war Homeoffice in der Schweiz die Ausnahme. Von den knapp 25 % der Arbeitnehmenden, die in der Schweiz auch zu Hause arbeiten, tat dies nur etwa jede achte Person regelmässig. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Damit war die Schweiz im internationalen Vergleich keine Vorreiterin, mit Ausnahme der Beschäftigten im IT- und Bildungsbereich. Bereits vor der Pandemie arbeiteten in diesen Branchen mehr als 30 % regelmässig aus dem Homeoffice. Das ist auch eine Folge der zunehmenden Digitalisierung des wachsenden Dienstleistungssektors.
Schon seit langem wurde prophezeit, dass die Digitalisierung den Arbeitsalltag fundamental verändern wird. Trotzdem drängten sich allmorgendlich die Autos auf der Autobahn und die Menschen in den Zügen, um quer durchs Land zum Arbeitsplatz zu fahren. Durch Shutdowns und Empfehlung oder sogar Pflicht zum Homeoffice hat sich dies in Windeseile geändert: Seit einem Jahr gehört das Arbeiten von zuhause zum Alltag vieler Menschen in der Schweiz. Mittlerweile geben 46 % der Unternehmen an, zwischen 60 % und 100 % ihrer Belegschaft ins Homeoffice geschickt zu haben, und zwar schon letztes Jahr, vor der erst im Januar 2021 eingeführten expliziten Homeoffice-Pflicht. Nur 11 % haben keine Form von Homeoffice eingeführt.
Macht das Homeoffice produktiver?
Durch die Pandemie ist eine Art Versuchslabor in Sachen Homeoffice entstanden – auch für die Arbeitgeber, die nicht selten befürchteten, dass sich Homeoffice nachteilig auf die Produktivität und die Arbeitsorganisation auswirkt.
Eine Studie der Universität Konstanz, bei der 700 Erwerbstätige im Homeoffice während der Pandemie begleitet wurden, kommt zum Ergebnis, dass die Arbeit zuhause produktiver ist. Über 85 % der Angestellten schätzen ihre Arbeit als produktiv ein, was im Vergleich zur Präsenzarbeit sehr hohe Werte sind. Gemäss einer Umfrage der Schweizer Beratungsfirma Empiricon konnten 87 % der von rund befragten 5000 Mitarbeitenden aus den Bereichen Energie und öffentliche Verwaltung ihre Arbeit genauso gut erledigen wie im Büro. Doch handelt es sich bei diesen Zahlen jeweils um subjektive Selbsteinschätzungen der befragten Arbeitnehmenden. Interessanterweise sind dann auch die Arbeitnehmenden sehr viel positiver gestimmt als die Arbeitgeber. Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt daher eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Im Oktober letzten Jahres wurden 1097 Unternehmen befragt. 27 % der Unternehmen meldeten eine geringere Produktivität und nur 5,7 % verzeichneten eine Steigerung, während 30,4 % keine Veränderung wahrgenommen haben.
Wie kommt es zu dieser grossen Diskrepanz in der Einschätzung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Gründe kann es viele geben, nicht zuletzt würde sich hier die Nachfrage lohnen, was für Arbeitnehmer Produktivität bedeutet und was Arbeitgeber darunter verstehen. Vermutlich sollte nicht unterschätzt werden, dass viele Führungskräfte die Produktivität unter ganz anderen Kennzahlen messen als ihre Angestellten.
An erster Stelle muss jedoch berücksichtigt werden, dass es nicht um «normales» Homeoffice geht, sondern um Homeoffice während einer weltweiten Pandemie. Dadurch wurden in vielen Fällen kurzfristig Änderungen notwendig. Entsprechend kann eine fehlende Produktivität auch daran liegen, dass es Unternehmen noch nicht ganz gelungen ist, die notwendigen organisatorischen, prozessualen und technischen Grundlagen zu bieten, um Remote Work zu ermöglichen, die dem Präsenzarbeiten ähnelt.
Insgesamt lassen die Umfragen vermuten, dass eine Mehrheit der Heimarbeiter im Corona-Jahr mindestens so produktiv war wie im Büro und auch nach der Krise einen Teil der Woche zu Hause arbeiten möchte. Eine neue Befragung von 12 500 Büroangestellten in fünf europäischen Ländern deutet aber darauf, dass die Lust auf Heimarbeit mit zunehmender Dauer abnimmt. Eine niederländische Studie von 2016 zu Bankangestellten vermutete dann auch einen kurvenförmigen Zusammenhang: Mit zunehmender Heimarbeit steige zunächst die Produktivität, doch wenn die Leute fast nur noch zu Hause arbeiteten und kaum mehr im Büro seien, überwögen die negativen Effekte.
Vor- und Nachteile der Heimarbeit
Zum Corona-Jahr gibt es weltweit und auch aus der Schweiz schon viele Umfragen. Diese bestätigen die bekannten Vor- und Nachteile der Heimarbeit.
Zu den Vorteilen gehört sicherlich die Zeitersparnis. Die Fahrt in vollen Bussen und Bahnen oder das Stehen im Stau mit anschliessender, nerviger Parkplatzsuche entfällt. Zudem bietet das Homeoffice eine grössere Flexibilität und häufig auch eine bessere Work-Life-Balance. Viele Arbeitnehmende berichten über eine Stressreduktion. Wenn nicht ewig das Telefon klingelt, wenn einem nicht permanent der Chef über die Schulter schaut und der Krach aus dem Grossraumbüro an den Nerven zehrt, lässt sich entspannter und auch produktiver arbeiten.
Doch es gibt im Gegenzug auch einige Nachteile. Den meisten Befragten fehlen auf Dauer die sozialen Kontakte. Wer den täglichen Austausch am Kantinentisch, die kurze Absprache mit dem Kollegen am Nebentisch oder die Inspiration von einem motivierenden Team braucht, hat im Homeoffice leider schlechte Karten. Auch der gerne mal unterschätze Flurfunk, bei dem man doch so einiges über Strategien und Entwicklungen erfährt, fällt weg. Gelegentliche Abstimmungstelefonate oder Video-Meetings ersetzen das alles nicht. Auch sind die allgemeinen räumlichen und technischen Arbeitsumstände im Homeoffice oft nicht ideal. Das trifft insbesondere für den vergleichsweise knappen und teuren Wohnraum in vielen Ballungsräumen zu und gilt umso mehr, wenn beispielsweise zwei Personen gleichzeitig in einer Wohnung beruflich arbeiten wollen. Ein separates Arbeitszimmer ist selten vorhanden.
Persönliche Erfahrungen
Wie hat Centre Patronal die Umstellung auf das Homeoffice gemeistert? Aus meiner persönlichen Sicht sehr gut. Beim ersten Lockdown im März 2020 bin ich von einem Tag auf den anderen, nur mit einem Laptop bewaffnet, ins Homeoffice gegangen. Kurz vorher hatte ich mir von der IT einen VPN-Zugang einrichten lassen, das war mein Glück. Daher war ich sofort einsatzbereit. Nichtsahnend, dass daraus volle sechs Wochen werden sollten, machte ich mich ans Werk. Glücklicherweise konnte ich meine Verbände von zu Hause aus genauso gut betreuen, als wenn ich im Büro gewesen wäre. Die Kunden haben es gar nicht gemerkt! Neu war für mich die Benutzung von Teams-Videokonferenzen. Dieses Tool ist ein wichtiges Hilfsmittel, um die physischen Vorstandssitzungen in der Zeit von Veranstaltungsverboten zu ersetzen und die ordentliche Verbandstätigkeit aufrecht zu erhalten. Nach dem harten Lockdown bin ich wieder gerne ins Büro zurück, da mir der persönliche Austausch wichtig ist. Centre Patronal hat anschliessend auf eine Kombination von Homeoffice und Präsenz gewechselt, ein Modell, dass ich sehr befürworte und das auch in der Zeit nach Corona beibehalten werden sollte.
Hybride Arbeitsmodelle – das Beste aus beiden Welten
Wie bereits dargelegt, hat das Homeoffice sowohl Vor- als auch Nachteile, weshalb sich viele Arbeitnehmende eine Mischform aus Präsenz im Unternehmen und Homeoffice wünschen. Wo es die Arbeitsaufgaben zulassen, wäre es plausibel, einen ausgewogenen Mix aus Präsenzarbeit und Homeoffice anzustreben. Experten halten daher eine Begrenzung der Homeoffice-Zeit auf zwei bis zweieinhalb Tage pro Woche sinnvoll, um den Rest der Zeit im Team zu verbringen. Davon können sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeitenden profitieren.