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Löhne 2024: Wunschdenken und Realität

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Löhne 2024: Wunschdenken und Realität. Aufgrund der Inflation im Allgemeinen, verschiedener Preissteigerungen im Besonderen und des Produktivitätswachstums fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund für das nächste Jahr eine Lohnerhöhung von 5%. Andererseits muss man sich auch der Probleme der Unternehmen gewahr werden, insbesondere der anhaltenden Personalknappheit, welche sie bereits zu erheblichen Anstrengungen hinsichtlich der Löhne und weiterer Arbeitsbedingungen zwingt. 

Eine reine Zahlenschlacht

Wie jeden Sommer, und diesmal sogar mit etwas Vorlauf, haben die Gewerkschaften ihre Forderungen für die Löhne 2024 bekannt gegeben. Sie sagten, die Löhne müssten um „mindestens 5%“ ansteigen, um dem Kaufkraftverlust durch die Inflation und den Anstieg der Mieten, Krankenkassenprämien und Stromtarife Rechnung zu tragen. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, ist der Ansicht, dass die Reallöhne aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten heute fast 3% unter dem Niveau von 2020 liegen. Er argumentiert, dass es der Wirtschaft gut gehe und die Unternehmen ihre Gewinnspannen erhöht hätten, dass die Arbeitnehmenden aber „wenig bis nichts“ von der guten Konjunktur gesehen hätten.

Um seine Folgerung zu untermauern, vergleicht Lampart die Entwicklung der Nominallöhne der letzten acht Jahre (seit 2015), die immerhin rund 7,5% beträgt, mit der kumulierten Entwicklung von Teuerung und Produktivität, die er auf über 14% beziffert. Um zu dieser letzten Zahl zu gelangen, muss man zur Teuerung – die in diesem Zeitraum unter 6% lag und derzeit rückläufig zu sein scheint – einen jährlichen Produktivitätszuwachs von durchschnittlich 1% hinzufügen, d.h. 8% in acht Jahren. Dieses Wachstum der Arbeitsproduktivität entspricht den vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Daten, aber es ist unwahrscheinlich, dass alle Unternehmen dies als Spiegelbild ihrer eigenen Situation betrachten.

Auf Arbeitgeberseite bestreitet der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) nicht, dass die Reallöhne in der aktuellen Situation sinken, betont aber, dass die Löhne zwischen 2012 und 2021 im Durchschnitt um 0,7% pro Jahr gestiegen sind; wenn man das Jahr 2022, in dem die grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten auftraten, mit einbezieht, sinkt der Durchschnitt auf 0,4%, ist aber immer noch positiv. Die Bundesstatistiken zeigen ausserdem, dass sich die Lohnstruktur in den letzten 15 Jahren nicht verschlechtert hat und dass der Tieflohnsektor erfreulicherweise geschrumpft ist. Der SAV hält daher Lohnerhöhungen von durchschnittlich 4-5% für unrealistisch.

Auch die Unternehmen haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen 

Man muss diese Zahlenschlacht mit etwas Abstand betrachten. Es ist unbestritten, dass eine gute Lohnpolitik darauf abzielen sollte, die Kaufkraft der Mitarbeitenden so weit wie möglich zu erhalten, aber das ist nicht selbstverständlich. Wenn Schwierigkeiten auftreten, die sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen betreffen, kann es vorkommen, dass die Löhne die Inflation nicht ausgleichen können und der reale Wert der Löhne sinkt. Dies ist keine angenehme Situation, gehört aber zu den Risiken des Wirtschaftslebens. Zwar gehen die Schweizer Unternehmen einer regen Geschäftstätigkeit nach, doch eine Realität sind auch die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben, wie Preiserhöhungen, Lieferengpässen, Problemen auf den Exportmärkten und einem anhaltenden Fachkräftemangel. Man kann von ihnen keine übermässigen Anstrengungen verlangen, nur um die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhalten, als ob dies ihre Hauptaufgabe wäre.

Es muss auch betont werden, dass Preissteigerungen bei Energie, Mieten und Krankenversicherungen hauptsächlich auf politische und soziale Umstände zurückzuführen sind, für welche die Unternehmen nicht verantwortlich sind. An dieser Stelle soll auf einen Kommentar zu Herrn Lamparts gelinde gesagt provokativen Äusserungen verzichtet werden, wonach die Arbeitgeber aufgrund des anstrengenden Arbeitslebens für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich seien…

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt veranlasst selbst die am wenigsten tugendhaften Unternehmen, grosse Anstrengungen im Bereich der Löhne vorzunehmen.

Die Arbeitgeber brauchten die gewerkschaftlichen Forderungen nicht abzuwarten

Man kann argumentieren, dass, wenn Anstrengungen erforderlich sind, diese so gleichmässig wie möglich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden verteilt werden sollten, ohne dass letztere das Nachsehen haben. Dieser allgemeine Grundsatz ist jedoch nicht einfach mit der Bestätigung der von den Gewerkschaften vorgelegten Zahlen gleichzusetzen. Die Situation in den einzelnen Branchen und Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Und auch wenn einige von ihnen zweifellos über die Mittel verfügen, grosszügig zu sein, kann man dies nicht einfach als allgemein gültig betrachten.

Ausserdem ist bekannt, dass die derzeit angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt selbst die am wenigsten tugendhaften Unternehmen dazu veranlasst, grosse Anstrengungen – hinsichtlich der Löhne und anderer Arbeitsbedingungen im Allgemeinen – vorzunehmen, um die Leute, die sie brauchen, zu finden und zu halten. Die Arbeitgeber brauchten die Forderungen der Gewerkschaften nicht abzuwarten, um dies zu erkennen, und es ist schwer vorstellbar, dass sie in diesem Bereich nicht alles in ihrer Macht stehende unternehmen, schon aus eigenem Interesse.

Die Gewerkschaften erfüllen ihre ureigene Rolle, wenn sie gute Lohnbedingungen für die Arbeitnehmenden fordern. Es ist sogar verständlich, dass sie zu Beginn der Verhandlungen ehrgeizige Ziele verkünden, damit die Verhandlungen nicht auf einem zu niedrigen Niveau enden. Aber im Jahr 2023 möchte man sich auch gerne davon überzeugen, dass das übliche Verhandlungsspiel nicht durch eine auf Wahlkampfüberlegungen basierende Übertreibung beeinträchtigt wird.

Weiterführende Informationen zum Thema “Löhne 2024: Wunschdenken und Realität

Bundesamt für Statistik BFS:

Produktivität

Arbeitsproduktivität nach Branchen 2020

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Markus Hugentobler, 29.01.2019, Sozialpartnerschaft: Zur Rolle eines Dachverbandes



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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