- Parlament, Politik, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
Weihnachtsmenü und Zwischenergebnisse der Wintersession
Weihnachtsmenü und Zwischenergebnisse der Wintersession: Nebst dem Röstigraben gibt es auch den Foie gras-Graben. Auf der einen Seite dieser gastronomischen Kluft finden sich die Romands wieder, die diese Spezialität schätzen, auf der anderen Seite die Deutschschweizer, die sich entschieden davon abwenden. Sollen wirklich unnötige Streitereien über dieses Thema entfacht werden, indem der Bundesgesetzgebung erlaubt wird, dieses Produkt von unseren Tellern zu verbannen und eine Mehrheit ihre Ernährungsgewohnheiten damit einer Minderheit aufzwingen kann?
Wenn der Staat sich in unsere Speisezettel einmischt
Die Weihnachtszeit ist eine Zeit, in der man sich noch stärker als im Rest des Jahres Frieden auf Erden und Eintracht zwischen allen Menschen guten Willens wünscht. Unser Land hat das Glück, von den Konflikten, die heute die Welt zerreissen, verschont zu bleiben. Doch auf einer weitaus weniger wichtigen Ebene erfinden und fördern Menschen unaufhörlich Streitpunkte und unnötige politische Auseinandersetzungen – zwischen verschiedenen Individuen im Allgemeinen, zwischen schweizerischen Bevölkerungsgruppen und auch zwischen den verschiedenen Gemeinschaften, aus denen sich die Schweiz zusammensetzt. Das gilt auch für die Volksinitiative, die Stopfleber und ihre Nebenprodukte wie Confit oder Magret von unseren Tellern verbannen will.
Nebst den bevorstehenden Feiertagen ist es auch die politische Aktualität, die dazu einlädt, über dieses Thema zu sprechen, da der Bundesrat Ende November seine Botschaft zu dieser Initiative veröffentlicht hat. Er schlägt dem Parlament vor, die Initiative ohne Gegenentwurf abzulehnen.
Die Zwangsernährung von Hausgeflügel, das so genannte Stopfen, ist in der Schweiz bereits seit über 40 Jahren verboten, so dass derzeit keine einheimischen Lebensmittel aus Stopfleber hergestellt werden dürfen. Die Einfuhr solcher Produkte ist jedoch weiterhin möglich, und genau darum geht es bei der Initiative. Sie fordert ein Verbot jeglicher Einfuhr, sei es für kommerzielle oder private Zwecke. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass ein solches Verbot nur schwer mit dem internationalen Recht vereinbar ist. Grundsätzlich würde dies bedeuten, dass der persönliche Konsum solcher Produkte in der Schweiz verunmöglicht werden würde.
„Wenn der Wille, Gesetze zu solchen Fragen zu erlassen, an sich schon zweifelhaft ist, so ist der Versuch, dieses spezielle Thema auf Bundesebene regeln zu wollen, höchst ungeschickt.“
Moderate vs. extreme Lösung
Die Malaise nahm ihren Anfang mit der Motion „Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber“, die 2020 von einem Abgeordneten der grössten Partei der Schweiz eingereicht wurde – notabene jener Partei, die vorgibt, Unternehmen und individuelle Freiheiten verteidigen zu wollen. Glücklicherweise wurde die Motion im Ständerat abgeschwächt und in einen Antrag für eine „spezifische Deklarationspflicht“ umgewandelt, der im September 2023 von beiden Kammern angenommen wurde.
Der Bundesrat kam dem Auftrag nach und legte im Frühjahr 2024 einen Entwurf für eine Verordnungsänderung vor, die unter anderem eine Deklarationspflicht für Produkte aus der Stopfmast vorsieht. Ziel ist es, den Konsumierenden bewusst zu machen, dass sie ein Produkt kaufen, welches durch in der Schweiz verbotene Praktiken hergestellt worden ist. Eine derartige Regelung erschwert zwar einige Schritte im Verkaufsprozess, doch bewahrt sie zumindest die Wahlfreiheit der Konsumierenden.
Inzwischen wurde das Thema jedoch von einer „Alliance Animale Suisse“ aus Zürich vereinnahmt, welche eine moderate Lösung ablehnt und deshalb eine Volksinitiative lanciert hat, um an der Urne ein gesamtschweizerisches Importverbot durchzusetzen. Die Initiative ist zu Beginn dieses Jahres zustande gekommen und wurde an das Parlament weitergeleitet.
Unnötige Streitereien zwischen Romands und Deutschschweizern
Die Debatten im Parlament und vor allem die Kampagne, die der Volksabstimmung (das Datum ist noch offen) vorausgehen wird, werden neue, unnötige Meinungsverschiedenheiten hervorrufen. Es werden neue Polemiken entstehen zwischen denen, die der Meinung sind, dass man essen können sollte, worauf man Lust hat – Gemüse oder Fleisch, Insekten oder foie gras – und jenen, die ihr Glück nur darin zu finden scheinen, die kleinsten Handlungen ihrer Mitbürger zu reglementieren und ihre moralischen Imperative per Gesetz der ganzen Gemeinschaft aufzuzwingen. Foie gras (vielleicht mehr als die Rösti) stellt auch und vor allem eine gastronomische Kluft zwischen Romands und Deutschschweizern dar. Verstimmungen zwischen der deutschsprachigen Mehrheit (wo man mit Erstaunen feststellen muss, dass einige bürgerliche Politiker nun auf staatlichen Interventionismus schwören) und der welschen Minderheit (wo auch einige linke Persönlichkeiten die traditionelle Küche noch schätzen) werden unvermeidlich sein. Wenn der Wille, Gesetze zu solchen Fragen zu erlassen, an sich schon zweifelhaft ist, so ist der Versuch, dieses spezielle Thema auf Bundesebene regeln zu wollen, höchst ungeschickt und widerspricht den föderalistischen Grundsätzen, auf denen die Eidgenossenschaft beruht.
Muss es wirklich sein, dass bei einem so nebensächlichen Thema eine Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufzwingt, wo doch nichts gegen die friedliche Koexistenz unterschiedlicher und freier Entscheidungen spricht? Die Frage ist nicht trivial, denn solche Situationen häufen sich in letzter Zeit (auch ausserhalb ernährungstechnischer Fragen), was den sozialen Frieden und die Eintracht im Land gefährdet.
Nachlese zur Session des Parlaments
Zwischenergebnisse zu einigen Geschäften, die wir in unserer Publikation vom 20. November 2024 ausgewählt hatten.
Lesart: + entspricht unserer Empfehlung, – entspricht nicht unserer Empfehlung, = neutral
Der SR hat am 18.12.202 die von der Einigungskonferenz vorgeschlagene Lösung gutgeheissen, morgen gehts in die Schlussabstimmung. (-) Annahme vorausgesetzt, hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort.
- 24.069 Handelsabkommen EFTA-Indien: JA
Im Ständerat angenommen, geht nun in den Nationalrat. (+)
- 24.073 Umsetzung und Finanzierung der Initiative für eine 13. AHV-Rente:
Der Ständerat hat den Auszahlungsmodalitäten zugestimmt, die nun an den Nationalrat gehen. (+) Die Entscheidungen über die Finanzierung werden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. (+)
- 21.403 Pa. Iv. WBK-N, Betreuungszulagen auf Stufe Bund: NEIN
Der Ständerat trat auf das Geschäft ein, ohne sich jedoch über die Finanzierung zu einigen; das Dossier geht zurück an den Nationalrat. (–)
- 24.3851 Rasche Einführung der elektronischen Unterschriftensammlung: Abstimmungsfreiheit
Im Ständerat angenommen (=)
Die beiden gleichlautenden Motionen wurden der behandelnden Kommission zugewiesen. (=)
- 24.3905 Pilotbetrieb für E-Collecting: JA
Im Ständerat angenommen (+)
- 24.3940 Bezahltes Sammeln von Unterschriften: JA
Der Kommission zugewiesen (=)
- 24.3992 Transparenz bei bezahlten Unterschriften: NEIN
Der Kommission zugewiesen (–)
- 24.4034 Verbot von bezahlten Unterschriften: NEIN
Der Kommission zugewiesen (–)
Weiterführende Informationen zum Beitrag “Weihnachtsmenü und Zwischenergebnisse der Wintersession”:
Die Bundesversammlung — Das Schweizer Parlament: Wintersession: 2. – 20. Dezember 2024