- Mobilität, Politik, Verkehr - Pierre-Gabriel Bieri
Verfügbarkeit und Nutzbarkeit des Autobahnnetzes sicherstellen
Die wichtigsten Wirtschaftsverbände der Genferseeregion unterstützen geschlossen den Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen, der Ende Jahr zur Volksabstimmung kommen soll. Gleichzeitig veröffentlicht das Bundesamt für Strassen Zahlen, die zeigen, dass das Autobahnnetz rund um die grossen Agglomerationen punktuell ausgebaut werden muss, damit der Verkehr intelligent kanalisiert werden kann.
Stauzunahme um 22%
Auf den Nationalstrassen (d.h. hauptsächlich auf den Autobahnen) kam es im Jahr 2023 zu 48’807 Staustunden. Dies entspricht einer Rekordzunahme von 22,4% gegenüber dem Vorjahr, obwohl der Verkehr nur um 1,5% zunahm. Diese Daten wurden am Montag, dem 17. Juni, vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) bekannt gegeben. Das ASTRA erklärt in diesem Zusammenhang, dass Verkehrsmanagementmassnahmen (vorübergehende Geschwindigkeitsbegrenzungen, zeitweilige Öffnung von Pannenstreifen) an gewissen Orten nicht mehr ausreichen und dass zur Beseitigung der gravierendsten Engpässe punktuelle Anpassungen der Strasseninfrastruktur notwendig sind.
Am selben Montag traten die wichtigsten Wirtschaftsverbände der Genferseeregion gemeinsam vor die Presse, um ihre Unterstützung für die im September letzten Jahres von den eidgenössischen Räten beschlossenen Autobahnausbauten („Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen“) und insbesondere für die dritte Autobahnspur, die zwischen Nyon und Le Vengeron (Genf) geschaffen werden soll, zu bekräftigen. Sie rufen dazu auf, bei der Volksabstimmung, die voraussichtlich am 24. November stattfinden wird, ein klares JA in die Urne zu legen. Ein ähnlicher Aufruf kam auch vom Schweizerischen Gewerbeverband.
Diese Autobahnausbauten – Kapazitätserweiterung auf sechs Abschnitten in der Nähe von Genf, Bern, Basel, Schaffhausen und St. Gallen – werden von ideologischen Bewegungen bekämpft, die radikal gegen den Autoverkehr und jeglichen Ausbau des Strassennetzes sind. Diese dogmatische Opposition hält jedoch keiner sinnvollen Faktenprüfung stand.
Eine Verlagerung des Verkehrs auf andere Strassen und in Ortschaften
Zunächst einmal muss erkannt werden, dass der Status quo keine Option darstellt. Die vom ASTRA veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die regelmässige und dauerhafte Überlastung der Strasseninfrastruktur nicht zu einer Verringerung des Autoverkehrs führt, wie manche es gerne hätten, sondern nur zu immer mehr und damit umweltschädlicheren Staus, zur Verlagerung des Verkehrs auf Nebenachsen oder längere Routen sowie zu Kosten für die gesamte Wirtschaft und damit für die Gesellschaft.
Die volkswirtschaftlichen Kosten von Staus, die allein auf den Nationalstrassen auf über 1,2 Milliarden Franken geschätzt werden (und auf mehr als das Doppelte, wenn man das gesamte Strassennetz einbezieht), werden anhand der verlorenen Stunden, der Lieferverzögerungen, der zusätzlichen Kilometer, die zurückgelegt werden müssen, um verstopfte Gebiete zu umfahren, aber manchmal auch anhand verderblicher Waren, die abgeschrieben werden müssen, errechnet. Diese Kosten schlagen sich zwangsläufig in den Preisen für Waren und Dienstleistungen nieder.
Was das Phänomen der Verkehrsverlagerung betrifft, so ist es zwischen Lausanne und Genf deutlich zu beobachten – und sicherlich auch an anderen Orten der Schweiz. Ortskundige Fahrerinnen oder Fahrer, die ihrer Routenplaner-App folgen, benützen immer häufiger Kantons- oder Gemeindestrassen, wodurch diese überlastet und die Dörfer, durch die sie führen, in vielerlei Hinsicht belastet werden.
„Es geht nicht darum, die Zunahme des Autoverkehrs zu fördern, sondern vielmehr darum, den Verkehr auf die Autobahn zurückzuholen und zu kanalisieren.“
Die Verfügbarkeit eines bemerkenswert effizienten Netzes aufrechterhalten
Die geplanten Ausbauten zielen darauf ab, die Kapazität des Autobahnnetzes rund um die grossen Ballungsräume punktuell zu erhöhen. Das Ziel besteht nicht darin, die Zunahme des Autoverkehrs zu fördern, sondern vielmehr darin, den Verkehr auf die Autobahn zurückzuholen und ihn zu kanalisieren (gegebenenfalls auf periphere Parkplätze), um zu verhindern, dass er sich in Wohngebieten ausbreitet. Es geht darum, die bemerkenswerte Effizienz des Autobahnnetzes optimal zu nutzen, das zwar nur 3% aller Strassen ausmacht, aber rund 45% des Gesamtverkehrs (in Fahrzeugkilometern) und fast 70% des Strassengüterverkehrs bewältigen kann. Die Kapazität der Autobahnen liegt bei 800 Personenkilometern pro Quadratmeter und ist damit 2,5-mal höher als die des Zuges und 8-mal höher als die des übrigen Strassennetzes. Es ist daher rational und intelligent, die Verfügbarkeit dieses Netzes aufrechtzuerhalten.
Es muss mit der Vorstellung aufgeräumt werden, dass eine Kapazitätserweiterung an den „schwarzen Flecken“ des Netzes zwangsläufig zu einem entsprechenden Anstieg des Gesamtverkehrs führt. Studien, die einen solchen Zusammenhang suggerieren und häufig aus dem Ausland stammen, berücksichtigen nicht die besonderen Bedingungen in der Schweiz mit einem sehr leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsnetz und einer wachsenden Zahl von Menschen – vor allem in den Städten –, die kein Auto besitzen.
Schliesslich muss noch einmal betont werden, dass Strasse und Schiene keine Gegensätze darstellen, sondern sich ergänzen, da keiner von beiden ohne den anderen auskommen kann. Ihre Finanzierung ist klar getrennt, während ihre Einbettung in die Landschaft zunehmend koordiniert wird, so dass einem intelligenten und parallelen Ausbau der Schienen- und Strasseninfrastruktur nichts im Wege steht. Die Westschweizer Wirtschaftsverbände, die sich heute für die dritte Autobahnspur zwischen Nyon und Le Vengeron aussprechen, haben dies verstanden und unterstützen offiziell auch eine neue Eisenbahnlinie zwischen Lausanne und Genf, für einen wahrscheinlich zehnmal höheren Preis, aber vor allem für die Zukunft unserer Mobilität.
Weiterführende Informationen zum Beitrag “Verfügbarkeit und Nutzbarkeit des Autobahnnetzes sicherstellen”:
Pierre-Gabriel Bieri, 14.02.2024: Frühjahrssession- Infrastruktur im Fokus
Pierre-Gabriel Bieri, 28.09.2023: Die Schweiz wird weiter in ihr Strassennetz investieren