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- Parlament, Politik, Steuern - Pierre-Gabriel Bieri

Übersicht Herbst-Session 2024

Herbst-Session-2024. Individualbesteuerung: negative Auswirkungen und unerreichbare Ziele. Bild zeigt den Ständeratssaal im Schweizer Parlament, von der Galerie aus. Bildquelle: Parlamentsdienste, 3003 Bern.

Übersicht Herbst-Session 2024, Topic Individualbesteuerung: negative Auswirkungen und unerreichbare Ziele. Die Individualbesteuerung von Ehepaaren wird heute auf allen institutionellen Ebenen als der Heilige Gral der Modernität dargestellt, mit dem die anhaltende Ungleichbehandlung im Rahmen der Bundessteuer korrigiert werden kann, aber auch und vor allem Anreize für die Steuerzahler geschaffen werden, ihre Erwerbsquote zu erhöhen. Man vergisst die krassen Mängel dieser „Lösung“ sowie ihre Unwirksamkeit in Bezug auf das letztgenannte Ziel.

Ein ursprüngliches Ziel, das sich gewandelt hat

In der Septembersession der Eidgenössischen Räte wird der Nationalrat Gelegenheit haben, sich zur heiklen Frage der Individualbesteuerung von Ehepaaren zu äussern (Geschäft Nr. 24.026). Dieser Vorschlag ist ein politischer Dauerbrenner, nämlich die Beseitigung der steuerlichen Diskriminierung von Ehepaaren, insbesondere von solchen, bei denen beide Ehegatten arbeiten und die aufgrund der Zusammenrechnung ihrer Einkommen auf einen wesentlich höheren Steuersatz kommen, als wenn sie nicht verheiratet sind und ihr Einkommen getrennt deklarieren. Die Kantone haben dieses Problem durch recht einfache Lösungen wie das Splitting oder den Familienquotienten gelöst. Der Bund hingegen trödelt seit Jahren und hat noch immer keine Korrekturen an der direkten Bundessteuer (DBST) vorgenommen.

Die heute offenbar bevorzugte Lösung wäre daher, die gemeinsame Besteuerung aufzugeben und die Ehegatten als getrennte Steuerzahler zu betrachten – nicht nur auf Bundesebene, sondern auf allen institutionellen Ebenen. Diese Forderung wird in der Volksinitiative „Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)“ erhoben, die vor zwei Jahren eingereicht wurde. Der Bundesrat stellt ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber, der in die gleiche Richtung geht (Entwurf Bundesgesetz über die Individualbesteuerung). Überraschenderweise finden sich auch drei Standesinitiativen (LU, GR, BL), die die Einführung der Individualbesteuerung fordern – obwohl sich das Problem nicht auf kantonaler Ebene stellt, die Kantone bei einer solchen Lösung nur verlieren können und die Mehrheit der Kantone ein solches System ablehnt.

Warum wird eine Revolution des Steuerrechts angestrebt, die kompliziert umzusetzen und für die öffentliche Hand kostspielig ist, obwohl eine einfache Korrektur der DBST ausreichen würde? Es geht nicht mehr nur um die Korrektur einer Ungleichbehandlung, sondern auch um die Anpassung an modernere gesellschaftliche Vorstellungen und vor allem um Anreize für Ehepartner mit einem Teilzeitpensum, ihre Erwerbstätigkeit zu erhöhen.

Man würde eine neue Ungleichheit schaffen

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates fordert mit 13 zu 12 Stimmen, sowohl die Initiative als auch den Gegenentwurf des Bundesrates zu unterstützen. Gibt diese knappe Mehrheit Anlass zur Hoffnung, dass sich in den Köpfen der Menschen langsam Zweifel breit machen? Denn die Individualbesteuerung ist nicht nur ein unnötiger Umsturz im Hinblick auf das zu lösende Problem, sondern hat auch noch andere entscheidende Mängel.


Der erste Fehler besteht darin, dass durch die Korrektur einer Ungleichheit eine neue geschaffen würde, diesmal zum Nachteil von Ehepaaren mit nur einem Einkommen (oder einem Haupt- und einem Nebeneinkommen). Ohne eine angemessene Korrektur der Tarife und angepasste Abzüge für Paare mit sehr ungleichen Einkommen (der Entwurf des Bundesrates deckt diesen Bedarf nicht ab) wird das Gesetz früher oder später vor Gericht angefochten werden.

Gleichzeitig würde die Individualbesteuerung zahlreiche Möglichkeiten zur „Steuerplanung“ schaffen. Um ihre Steuersituation zu optimieren, hätten Paare einen Anreiz, nicht nur ihr jeweiliges Arbeitspensum, sondern auch die Verteilung ihres Vermögens oder ihrer Schulden, den Zeitpunkt des Ruhestands oder bestimmter Kapitalzahlungen „anzupassen“.

Die Auswirkungen auf die Beschäftigung würden marginal bleiben

Es müssen noch die finanziellen Verluste für den Bund (teilweise unvermeidlich, da die DBST ohnehin korrigiert werden muss, was aber im aktuellen Kontext unwillkommen ist) und auch für die Kantone (die ihrerseits die notwendigen Korrekturen bereits seit langem eingeführt haben) berücksichtigt werden. Am stärksten belastet wären die Kantons- und Gemeindefinanzen mit den Kosten für die Gesetzesrevisionen, den Kosten für die Bearbeitung von rund 1,7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen, der geringeren Umverteilung der DBST und den sehr wahrscheinlichen Steuereinnahmerückgängen (die wahrscheinlich höher ausfallen als die des Bundes).

Nicht zu vergessen ist schliesslich die Möglichkeit von Kaskadeneffekten auf andere Rechtsbereiche, in denen die Familie weiterhin als rechtlich anerkannte Wirtschaftseinheit betrachtet wird: Ehegüterrecht, Berechnung von Altersrenten, Prämienverbilligungen für die Krankenversicherung oder Krippentarife.

Das sind doch eine Menge Mängel für ein Steuersystem, dessen erklärtes Ziel es ist, höhere Erwerbsquoten zu fördern, dessen erwartete Auswirkungen in diesem Bereich aber, wie die Initiatoren selbst zugeben, ziemlich lächerlich erscheinen – zwischen 0,2 und 0,8% der in der Schweiz erfassten Arbeitsplätze.

Wichtige Geschäfte im Nationalrat :

Montag, 16. September:

  • 24.026  Individualbesteuerung (Initiative und indirekter Gegenentwurf) : NEIN
  • 23.300, 23.305, 23.313  Individualbesteuerung (Standesinitiativen) : NEIN

Mittwoch, 25. September:

  • 24.3395 Rasch wirksames Entlastungspaket, das auch gebundene Ausgaben mit einschliesst: JA

Wichtige Geschäfte im Ständerat :

Donnerstag, 19. September: 

  • 24.016 Bundesgesetz über Massnahmen zur Entlastung des Haushaltes ab 2025 : JA
  • 24.3566 „Für einen moderaten und dauerhaft festgelegten Eigenmietwert“ : JA

Dienstag, 24. September:

  • 17.3748 Pannenstreifenumnutzungen mit vereinfachten Verfahren ermöglichen : JA

Donnerstag, 26. September :

  • 23.4041 Sozialversicherung. Umfassende und einheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren schaffen (eATSG) : JA



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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