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- Arbeitsmarkt, Politik, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri

Sozialpartnerschaft und Arbeitszeit: Für eine Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Im Bild sind Parteien beim Zusammenfügen eines Puzzles zu sehen. Dies symbolisiert die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Im Beitrag wird das Thema Sozialpartnerschaft und Arbeitszeit erläutert. Für eine Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Centre Patronal präsentiert ein Bündel von Vorschlägen, um die Sozialpartnerschaft und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen an die aktuellen Realitäten der Arbeitswelt anzupassen.

Sozialpartnerschaft und Arbeitszeit: Centre Patronal präsentiert ein Bündel von Vorschlägen, um die Sozialpartnerschaft und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen an die aktuellen Realitäten der Arbeitswelt anzupassen. Es geht darum, die Existenz von allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen zu erhalten, die Transparenz über die finanziellen Mittel bei paritätischen Kommissionen zu verbessern und gewisse Bestimmungen im Arbeitsgesetz, insbesondere betreffend die Arbeitszeiten in den Unternehmen, zu vereinfachen.

Bedrohung für die Allgemeinverbindlichkeit von GAV

Am 24. Juni 2024 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) Vertreter verschiedener Gewerkschafts- und Arbeitgeberorganisationen – darunter auch Centre Patronal – offiziell angehört. Der Kommission ging es darum, die Zweckmässigkeit einer Revision der Regelungen zu den erforderlichen Quoren, damit ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) als allgemeinverbindlich gilt, zu beurteilen. Nach Abschluss der Anhörungen beauftragte die WAK-N das SECO, die eingebrachten Vorschläge zu analysieren und einen schriftlichen Bericht zu verfassen.

Dieses Vorgehen ist vor dem Hintergrund der praktischen Schwierigkeiten zu sehen, mit denen die Sozialpartnerschaft heute konfrontiert ist, insbesondere wenn es um die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen geht. Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen zum Geltungsbereich von GAV (Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, AVEG) sind streng und beruhen auf drei Quoren: Am Gesamtarbeitsvertrag müssen mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer und mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber in der Branche, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt werden soll, beteiligt sein. Die beteiligten Arbeitgeber müssen ihrerseits zudem mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer in der Branche beschäftigen (gemischtes Quorum). Es kommt jedoch immer häufiger vor, dass Arbeitgeber, die an einen GAV gebunden sind, das gemischte Quorum erfüllen (sie beschäftigen eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer in der Branche), jedoch angesichts einer grossen Anzahl von sehr kleinen Unternehmen mit wenigen Beschäftigten keine Mehrheit der Arbeitgeber in dieser Branche vertreten.

Unter solchen Umständen gelingt es neuen GAV dann nicht mehr, als allgemeinverbindlich erklärt zu werden. Und diejenigen, die bereits über den Status der Allgemeinverbindlichkeit verfügen, drohen diesen wichtigen Vorteil zu verlieren. Die Allgemeinverbindlichkeit verhindert jedoch eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten von Unternehmen, die einem Berufsverband angehören. Weiter wird dadurch auch ermöglicht, aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Mindestlöhnen zu unterstellen und so die einheimischen Arbeitskräfte vor Lohndumping zu schützen. Wenn die wichtigsten GAV nicht mehr allgemeinverbindlich sind, ist das Funktionieren der Sozialpartnerschaft gefährdet.

Konkrete Vorschläge zur Modernisierung der Sozialpartnerschaft

Centre Patronal führt die Geschäftsstellen zahlreicher Arbeitgeber- und Berufsverbände sowie von über einem Dutzend paritätischer Kommissionen und bekennt sich sowohl praktisch als auch politisch zur Sozialpartnerschaft als einem Faktor der sozialen Stabilität und als Bollwerk gegen den Etatismus. In dieser Hinsicht war es für Centre Patronal erfreulich und eine gute Gelegenheit, vor der WAK-N seine diesbezüglichen Ideen und Konzepte vorzustellen, die seit mehreren Jahren, zum Teil zusammen mit anderen Wirtschaftsorganisationen der Westschweiz, entwickelt worden sind. Konkret geht es darum, die Bedingungen zu modernisieren, unter welchen ein GAV für allgemeinverbindlich erklärt werden kann, indem auch Situationen berücksichtigt werden, in denen die unterzeichnenden Arbeitgeber eine bedeutende Minderheit bilden (zwischen 40 und 50 % der Branche) und gleichzeitig eine klare Mehrheit (mindestens 80 %) der Arbeitnehmer in der betreffenden Branche beschäftigen. Diese Anpassung der Gesetzgebung würde den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft Rechnung tragen und dazu beitragen, die Debatte über die “Bilateralen III” und den notwendigen Schutz der Schweizer Löhne zu beruhigen.

Gleichzeitig schlägt Centre Patronal auch vor, auf die immer wiederkehrende Kritik an der Transparenz der Finanzströme im Zusammenhang mit der Sozialpartnerschaft zu reagieren. Dies einerseits dadurch, dass einem allgemeinverbindlichen GAV unterliegende Arbeitgeber und Arbeitnehmer berechtigt werden, die Jahresrechnungen der paritätischen Kommissionen einzusehen, wie es eine von der WAK-N eingereichte Motion verlangt. Und andererseits auch durch die gesetzliche Verankerung einiger Grundsätze, die in Weisungen des SECO enthalten sind (Gliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung der paritätischen Kommissionen, Verwendung von Beiträgen resp. Verbot der Bereicherung durch die am GAV beteiligten Sozialpartner usw.). Diese Grundsätze werden bereits heute korrekt angewendet, aber es ist wichtig, ihnen mehr Gewicht und Bekanntheit zu verleihen.

Schluss mit nicht anwendbaren und nicht durchsetzbaren Regeln

Um ein kohärentes und ausgewogenes Ganzes zu schaffen, sollten die Bemühungen um eine Modernisierung der Gesetzgebung auch auf einige Bestimmungen im Arbeitsgesetz (ArG) ausgeweitet werden. Das Arbeitsgesetz wurde ursprünglich zum Schutz von Industriearbeitern konzipiert, die eine im Tagesablauf klar geregelte Arbeit an einer Maschine verrichteten. Heute arbeiten mehr als drei Viertel der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor, und daneben hat sich auch der industrielle zweite Sektor stark verändert. Einige Gesetzesartikel sind für leitende Angestellte und zunehmend auch für andere Gruppen von Arbeitnehmenden, die flexible Arbeitszeiten und Telearbeit wünschen, nicht mehr anwendbar und folglich auch nicht mehr durchsetzbar. Die Vorschläge von Centre Patronal bestehen darin, leitende Angestellte aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herauszunehmen, die maximale Wochenarbeitszeit zu vereinheitlichen (50 Stunden im Jahresdurchschnitt), die Regelung der Sonntagsarbeit zu vereinfachen, den Umfang des Arbeitstages neu zu definieren sowie die Zuständigkeit für die Genehmigung von Nachtarbeit den Kantonen zu überlassen.

Ziel ist es, sowohl bei den Gesamtarbeitsverträgen als auch im Bereich der Arbeitszeitregelungen die Gesetzgebung zu entstauben und sie mit den aktuellen Realitäten der Arbeitswelt in Einklang zu bringen.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Sozialpartnerschaft und Arbeitszeit – Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen”

Vorschläge von Centre Patronal



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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