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- Bern, Politik - Martin Troxler

Regulierung: das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

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Die Regulierung auf dem Wirtschaftsstandort Schweiz nimmt in besorgniserregendem Ausmass zu. Ereignisse wie der Kollaps der Credit Suisse und die Gründe, die dazu führten, wirken als Brandbeschleuniger für noch mehr Regulierung. Hier sollte klar zwischen systemrelevanten und dem Gros aller anderen Unternehmen differenziert werden. Das liberale Wirtschaftsumfeld in der Schweiz und die Kultur der Selbstregulierung müssen bewahrt und weiter gestärkt werden.

Regulierung auf dem Vormarsch – auch selbstverschuldet 

Die Schweiz verdankt ihren Wohlstand auch ihrem liberalen Wirtschaftsumfeld und dem auf Stabilität ausgerichteten, unternehmensfreundlichen politischen System. Dazu sollten wir im Interesse aller Sorge tragen. Mag der Wirtschaftsstandort Schweiz international bei Kriterien wie zum Beispiel dem steuerlichen Umfeld und der Anzahl von Patenten pro Einwohner noch gut dastehen, doch beim Thema Regulierung, welche gerade die so wichtigen KMU überproportional trifft, ist das Land gemäss dem Ease of Doing Business Index der Weltbank ins Mittelfeld abgerutscht. Bei diesem Gradmesser des Geschäftsklimas verlor die Schweiz seit 2006 ganze 19 Positionen und musste sich 2020 mit Rang 36 begnügen, hinter Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Spanien. Auch wenn der Index mittlerweile aufgrund von Manipulationsskandalen eingestellt worden ist, sollte die Politik diesen Weckruf nicht ignorieren.

Der Kollaps der Credit Suisse hat sich in den letzten beiden Jahren bereits abgezeichnet, doch haben die Ereignisse am abend des 19. März 2023, als der Bundesrat dem ungläubigen Publikum die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS als alternativlose Massnahme verkündete, Schockwellen durch das Land gesendet. Unternehmerische Fehlleistungen dieses Kalibers tragen weiter dazu bei, das liberale Wirtschaftsumfeld in der Schweiz zu untergraben.

Die unmittelbare Folge davon sind (zu) extreme politische Reaktionen, welche das regulatorische Umfeld in der Schweiz weiter einzuengen drohen. Die Konsequenzen wären einschneidend und unerfreulich: wenn die Unternehmen ihre Pflichten bezüglich der good governance derart vernachlässigen, wird die Politik sie mit zusätzlichen Vorschriften vermehrt dazu zwingen wollen. Davon wären dann aber nicht nur die fehlbaren Unternehmen betroffen, sondern auch die überwiegende Mehrheit der Unternehmen, welche die Gebote der guten Unternehmensführung vorleben.

Unternehmen sind in der Pflicht

Der Verwaltungsrat ist oberstes Aufsichts- und Gestaltungsorgan der Aktiengesellschaft und damit direkt angesprochen, sowohl bei grossen und kotierten Gesellschaften, aber auch bei den nicht-kotierten KMU. Art. 716 OR definiert sieben sogenannt „unübertragbare und unentziehbare“ Aufgaben, darunter die „Oberleitung“ der Gesellschaft und die Erteilung der dafür nötigen Weisungen.

Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance von Economiesuisse bietet dabei eine wertvolle Richtschnur für verantwortungsvolles Handeln. Anfangs Februar dieses Jahres hat Economiesuisse in einer grundlegend überarbeiteten Neuauflage den neuen „Swiss Code“ veröffentlicht, welcher seit 2002 als Leitlinie für Corporate Governance von Schweizer Unternehmen gilt und wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Schweiz heute in diesem Thema international einen Spitzenplatz einnimmt. Das Werk ist ein Musterbeispiel für eine gelungene Selbstregulierung: es fokussiert auf verantwortungsvolles Unternehmertum und ist in unserem Land eine zentrale Referenz für Verwaltungsrat und Unternehmensleitung.

Vor 15 Jahren wurde die Abzocker-Initiative eingereicht. Die Erschütterungen der Finanzkrise 2007-2008 trugen das ihre dazu bei, dass diese Initiative nach jahrelangen Debatten im Parlament letztlich durch das Volk angenommen worden ist. Der Geist war aus der Flasche, die Umsetzung kam aber in der Folge nur schleppend voran. Mit der Konsequenz, dass seither in regelmässigen Abständen parlamentarische Vorstösse eingereicht werden, welche die unternehmerische Freiheit bei Vergütungsthemen weiter einschränken wollen.

„Die tatsächlichen Probleme betreffen systemrelevante Unternehmen. Hier – und nur hier – sollte die Politik ansetzen und die anderen Unternehmen nicht in Sippenhaft nehmen.“

Fokus auf das echte Problem

In Analogie zu damals dürften nun die durch den dramatischen Untergang der Credit Suisse verursachten tektonischen Erschütterungen wirtschaftspolitische Konsequenzen nach sich ziehen – die entsprechenden Geister im Parlament wurden mit einem lauten Knall geweckt. So wurde die Motion Birrer-Heimo (21.3909 „Keine Bonuszahlungen für systemrelevante Banken“) am 2. Mai 2023 im Nationalrat angenommen, dürfte aber im Ständerat weniger Chancen haben, da ihre Forderungen deutlich über das Ziel hinaus schiessen. Ihr Erfolg im Nationalrat dürfte auch der Hitze des Gefechts nach den turbulenten Ereignissen vom 19. März 2023 geschuldet gewesen sein.

Ein deutlich moderaterer Vorstoss, der spezifisch auf variable Vergütungen abzielt, ist die im April dieses Jahres eingereichte Motion Noser (23.3495 „Regelung über variable Vergütungen“). Sie wurde mit anderen Vorstössen am 13. Juni im Ständerat beraten, mehrheitlich begrüsst und zur Vorberatung an die Kommission für Wirtschaft und Abgaben zugewiesen. Variable Teile von Vergütungen, die der Verwaltungsrat in eigener Kompetenz beschliessen kann, sollen maximal auf 15% des ausgewiesenen Reingewinns beschränkt werden oder sonst vorgängig der Generalversammlung in einem begründeten Antrag transparent vorgelegt werden müssen. Daneben fordert die Motion, bei systemrelevanten Unternehmen „den grossen Teil der variablen Vergütung langfristig, und zwar abgestuft“ aufzuschieben und im Sanierungsfall verfallen zu lassen.

In seiner (ablehnenden) Stellungnahme zur Motion Noser verweist der Bundesrat auf die Too-big-to-fail-Regulierung und die Notwendigkeit, diese umfassend zu evaluieren. Wir pflichten dem grundsätzlich bei: die tatsächlichen Probleme, welchen durch weitere gesetzliche Einschränkungen notgedrungen beizukommen wäre, betreffen systemrelevante Unternehmen. Hier – und nur hier – sollte die Politik ansetzen und das Gros der nicht-systemrelevanten Unternehmen nicht in Sippenhaft nehmen. Die Masslosigkeit von Wenigen gefährdet das liberale Wirtschaftsumfeld und das bewährte Konzept der Selbstregulierung – zusätzliche Regelungen für systemrelevante Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Finanzindustrie und kritische Infrastrukturen, sind dabei langfristig das kleinere Übel.

Weiterführende Informationen zum Artikel “Regulierung: das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

SwissBoardForum: Die Schweizer Plattform für Verwaltungsräte und Corporate Governance

Eidgenössisches Finanzdepartement EFD: “Too big to fail”- Regulierung

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Martin Troxler,
Verbandsmanager

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