- Gesundheitskosten, Parlament, Politik - Pierre-Gabriel Bieri
Gesundheitskosten: zwei Initiativen, keine Lösung
Am 9. Juni stimmt das Volk über zwei gesundheitspolitische Vorlagen ab. Das Thema beider Initiativen sind die steigenden Gesundheitskosten, die für den Grossteil der Bevölkerung ein Grund zur Sorge sind. Die Initiative der SP versucht lediglich, die Gesundheitskosten zu verteilen und ihre ungesunde Entwicklung zu verschleiern, während die Initiative der Mitte-Partei mutig vorschlägt, den Kostenanstieg zu bremsen, ohne aber dass sie dafür einen realistischen Weg vorschlägt.
Die Steuerzahler zur Kasse bitten und die Kostenentwicklung verschleiern
Von den beiden Initiativen zu den Gesundheitskosten, über die am 9. Juni abgestimmt wird, ist die Initiative der Sozialdemokratischen Partei mit Abstand die Medienwirksamere und auch in den Augen des Grossteils der Bevölkerung die Attraktivere. Der Grund: das Versprechen, weniger hohe Prämien zu bezahlen. Der Initiativtext sieht vor, dass die Versicherten höchstens 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien aufwenden müssen. Wenn die Prämie diese Prozentmarke übersteigt, sollen die Versicherten eine Prämienverbilligung erhalten, finanziert zu zwei Dritteln durch den Bund und zu einem Drittel durch die Kantone.
Es handelt sich lediglich um eine Kostenverschiebung, ohne jeglichen Denkansatz, wie man den steten Anstieg der Gesundheitskosten in den Griff bekommt. Die Versicherten wären entlastet, die öffentliche Hand – und damit die Steuerzahler – aber entsprechend belastet. Ein weiterer Teil der Gesundheitskosten wird so auf die wohlhabenden Steuerzahler und die obere Mittelschicht abgewälzt. Aktuell wird circa ein Drittel dieser Kosten vom Staat, also über Steuern, und ein weiteres Drittel über die Versicherungsprämien (obligatorische und Zusatzversicherungen) finanziert. Die Initiative zur Prämienverbilligung würde diese Proportionen verschieben. Aber in welchen Dimensionen?
Heute werden bei ungefähr einem Viertel der Versicherten die Prämien durch staatliche Subventionen gesenkt. Für die übrigen Versicherten ist die steigende Belastung mit Krankenversicherungsprämien ein Alarmsignal, welches ihnen die Höhe der Ausgaben unserer Gesellschaft für die Gesundheit vor Augen führt. Wenn man den Anteil der Versicherten, die von dieser Entwicklung ausgenommen sind, erheblich erhöht, verringert sich proportional der soziale Druck zur besseren Eindämmung der Gesundheitskosten. Es liegt dann in der Verantwortung der öffentlichen Hand, sich angesichts schnell in Milliardenhöhe wachsenden Gesundheitskosten zu verschulden oder die Leistungen willkürlich zu rationieren.
Ein NEIN zu dieser wahltaktischen und irreführenden Initiative an der Urne ist ein Muss. Wird sie abgelehnt, tritt ein bereits vom Parlament verabschiedeter Gegenentwurf in Kraft, der die kantonalen Beihilfen erhöht, indem er sie zwingt, sich an den Kostensteigerungen der obligatorischen Krankenversicherung zu orientieren.
„Zu beiden Initiativen gab es indirekte Gegenentwürfe, die in den Debatten aber kaum erwähnt wurden.“
Kostenbremse: Ja, aber wie?
Die andere Initiative wurde von der Mitte-Partei eingereicht und trägt den Titel „Kostenbremse-Initiative“. Sie zielt nicht darauf ab, die Kostenentwicklung zu verschleiern, sondern sie zu dämpfen, indem sie einen Deckel draufmacht. Der Text fordert, dass der Bund, die Kantone, die Versicherer und die Leistungserbringer sich darum kümmern („mit wirksamen Anreizen“), dass die Kostenentwicklung mit der schweizerischen Gesamtwirtschaft und den durchschnittlichen Löhnen Schritt hält.
Der Knackpunkt bei dieser Initiative ist, dass sie keine Hinweise darauf gibt, wie ein solcher Mechanismus der „Kostenbremse“ einzuführen ist, wie „gebremst“ wird und welche Sanktionen verhängt werden, wenn die Bremse versagt. Da die Verantwortung für die Kostenbremse auf verschiedene öffentliche und private Schultern verteilt wird, ist zu befürchten, dass sich diese nur schwer einigen können. Hinzu kommt, dass die Initiative als einzigen Massstab das Wirtschaftswachstum kennt, während die Gesundheitskosten auch vom Anteil der älteren Menschen und vom medizinischen und technologischen Fortschritt abhängen. Die Gefahr besteht, dass die Initiative nicht umgesetzt werden kann.
Auch hier steht ein indirekter Gegenvorschlag parat: Der Bundesrat erhält die Kompetenz, alle vier Jahre eine Obergrenze für den Kostenanstieg in der obligatorischen Krankenversicherung festzulegen. Diese Obergrenze stützt sich auf eine von allen Akteuren mitgetragene transparente Berechnung der erwarteten Kosten für die zu erbringenden Leistungen.
Viele Wege führen nach Rom
Keine dieser beiden Initiativen löst das Problem der steigenden Gesundheitskosten. Die Hoffnung auf ein Wundermittel ist vergebens: Die Kosten spiegeln den immensen Wert, den unsere Gesellschaft der Gesundheit beimisst. Was wertvoll ist, muss auch teuer sein. Natürlich ist es unabdingbar, Doppelspurigkeiten, Exzesse und Verschwendung zu bekämpfen. Das wird nicht verhindern, dass das Gesundheitssystem einen Löwenanteil unseres Portemonnaies beansprucht.
Was die Aufteilung der Kosten zwischen Versicherern und Staat betrifft, so wird aktuell eine Neugewichtung vorgenommen, die darauf abzielt, stationäre und ambulante Behandlungen einheitlich zu finanzieren und eine Benachteiligung der letzteren, die insgesamt billiger sind, zu vermeiden. Diese vielversprechende „EFAS-Reform“ senkt sowohl die Kosten für die Versicherten als auch die Ausgaben für das Gesundheitswesen insgesamt. Leider wird sie von einem Teil der Linken bekämpft.
Weiterführende Informationen zum Beitrag Gesundheitskosten: zwei Initiativen, keine Lösung
Pierre-Gabriel Bieri, 10.10.2023: Gesundheitskosten: gute und schlechte Ideen
Bundesamt für Statistik BFS, 18.04.2024: Die Gesundheitskosten stiegen 2022 auf 91,5 Milliarden Franken
Bundesamt für Statistik BFS, 25.04.2023, Visualisierung Daten 2021: