- Parlament, Politik, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
Grüne Volksinitiative: Schrumpfungsexperiment statt Verantwortung
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Grüne Volksinitiative: Schrumpfungsexperiment statt Verantwortung. Diese Initiative wird Ihren Gürtel enger schnallen! Die nächste grüne Initiative fordert, dass wir unsere Produktion und unseren Konsum reduzieren, sogar um das Zweieinhalbfache, wenn wir das Konzept der „planetaren Grenzen“ strikt anwenden. Die derzeitigen Bemühungen, die natürlichen Ressourcen zu schonen und dabei vor allem auf qualitative Innovation zu setzen, wichen einem rein quantitativen Schrumpfungsexperiment, das die Lebensqualität und die Kaufkraft der Schweizerinnen und Schweizer massiv beeinträchtigen würde.
Die Natur (und die Verfassung) zur Beschneidung der Wirtschaft
Während die Gesetzgebung auf Bundes- und Kantonsebene zur Klimapolitik, zur Energiewende, zum Kampf gegen die Umweltverschmutzung und zur Biodiversität in rasantem Tempo anwächst und verschärft wird, reicht die grüne Linke in nicht minder rasantem Tempo immer neue Volksinitiativen ein, die fordern, dass endlich gehandelt wird. Zwar verfolgen diese Initiativen oftmals eher wahltaktische als ökologische Ziele. Wenn sie jedoch vor das Volk und die Kantone kommen, besteht die Gefahr, dass sich ein unabsehbarer Teil der Bürgerinnen und Bürger von sorgfältig geschönten Formulierungen verführen lässt.
Die nächste dieser Initiativen wird am 9. Februar 2025 – ohne dass es weitere Vorlagen gäbe – zur Volksabstimmung gelangen, unter dem Titel: „Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)“. Sie wurde im Februar 2023 (einige Monate vor den eidgenössischen Wahlen) von den Grünen und ihren Verbänden eingereicht, war Gegenstand einer Botschaft des Bundesrats im Januar 2024 und durchlief im selben Jahr einen rasanten Weg durch das Parlament: Sie wurde von beiden Kammern mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, und auch die Idee eines Gegenvorschlags wurde verworfen.
Konkret verlangt die Initiative einen neuen Verfassungsartikel 94a mit dem Titel „Rahmen der Wirtschaft“. Darin heisst es: „Die Natur und ihre Erneuerungsfähigkeit bilden den Rahmen für die schweizerische Gesamtwirtschaft“ und „Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben“. Bis hierhin wird es niemand wagen, sich gegen eine so schöne Formulierung zu stellen.
Planetare Grenzen – ein dirigistisches Konzept
Um dieses harmlose Bild zu unterstreichen, wird sodann erwähnt, dass bei den zu ergreifenden Massnahmen die „soziale Akzeptanz im In- und Ausland“ berücksichtigt werden muss. Nun wird die Sache konkreter: Es wird klar, dass Massnahmen ergriffen werden müssen und dass sich einige davon als unpopulär erweisen könnten.
Der eigentliche Kern der Forderung findet ihren Ausdruck schliesslich in den Übergangsbestimmungen: Es wird gefordert, dass innerhalb von zehn Jahren „die durch den Konsum in der Schweiz verursachte Umweltbelastung (…) die planetaren Grenzen gemessen am Bevölkerungsanteil der Schweiz nicht mehr überschreitet“. Der Begriff „planetare Grenzen“ bezieht sich auf ein bestimmtes Konzept, das im Jahr 2009 von einem internationalen Team von 29 Forschenden vorgeschlagen wurde und laut Wikipedia sinngemäss wie folgt definiert wird: Planetare Grenzen sind die Schwellenwerte, die die Menschheit nicht überschreiten sollte, um die günstigen Bedingungen, unter denen sie sich entwickeln konnte, nicht zu gefährden und um dauerhaft in einem sicheren Ökosystem leben zu können, sprich indem abrupte und schwer vorhersehbare Veränderungen der planetaren Umwelt vermieden werden.
„Der Begriff der Nachhaltigkeit wird ausschliesslich in seiner ökologischen Dimension instrumentalisiert, wobei die nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung ausgeblendet wird.“
Den Konsum in der Schweiz durch zweieinhalb teilen?
Es geht hier nicht um eine detaillierte Auslegung der neun ökologischen Grenzen der Erde, die von den 29 Forschenden festgelegt wurden. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass es diese physikalischen und mathematischen Formeln sind, die für den Normalbürger schwer verständlich erscheinen und die morgen (zehn Jahre sind morgen) an unserer Stelle entscheiden könnten, was wir konsumieren dürfen (Nahrung, Heizung, Reisen) und was unsere Unternehmen produzieren dürfen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ einmal mehr nur in seiner ökologischen Dimension instrumentalisiert wird, wobei die nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung ausgeblendet wird.
Während die Schweiz ihre Rangliste in Bezug auf die Ressourcennutzung immer weiter verbessert, behaupten Umweltkreise, dass wir unsere jährlichen „planetaren Grenzen“ jeweils bereits Ende Mai überschreiten. Damit lässt sich das Bestreben beziffern: Der Verbrauch der Schweizerinnen und Schweizer sollte in den nächsten zehn Jahren um den Faktor 2,5 gesenkt werden. Der Bundesrat verwendet in seiner Botschaft konsensfähigere Begriffe und spricht von „drastischen Massnahmen“, „Preiserhöhungen“ und „einer Verringerung der Angebotsvielfalt“. Über die Umrisse des bürokratischen Monsters, das für die Einführung einer solchen Regelung erforderlich wäre, schweigt er sich ebenso aus wie über die Kürzung der finanziellen Ressourcen für die Sozialversicherungen.
Wollen wir die zahlreichen bereits laufenden Bemühungen zur Schonung der natürlichen Ressourcen fortsetzen und dabei insbesondere auf eine Wirtschaft setzen, die auf qualitative Innovation ausgerichtet ist? Oder wollen wir ein radikales, rein quantitatives Wachstumsrückgangs-Experiment wagen, bei dem unsere Lebensqualität, unsere Kaufkraft und die Wirtschaftskraft unserer Unternehmen auf dem Spiel stehen? Das ist die Frage, welche es in zwei Monaten zu beantworten gilt.
Weiterführende Informationen zum Beitrag “Grüne Volksinitiative: Schrumpfungsexperiment statt Verantwortung”
Bundesamt für Raumentwicklung ARE: Nachhaltigkeitsverständnis in der Schweiz
SRF Echo der Zeit, 08.11.2018: Auf Wachstum verzichten, um den Planeten zu retten?