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Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative: ein tragfähiger Kompromiss

Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative

Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative: ein tragfähiger Kompromiss. Der bedingte Rückzug der Gletscher-Initiative wurde dank des neuen Gesetzes zu den Klimaschutzzielen möglich. Gegen dieses Gesetz wurde das Referendum angegriffen. Wir stimmen am 18. Juni über ein Gesetz ab, das die Grenzen einer realistischen und vernünftigen Klimapolitik respektiert.

Eine zurückgezogene Initiative, ein angegriffener Gegenentwurf

Anfang dieses Monats haben die eidgenössischen Räte die Volksinitiative „Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)“ und den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates beerdigt. Nur der vom Parlament ausgearbeitete indirekte Gegenvorschlag ist noch im Rennen. Das Votum des Volkes über diesen Gegenvorschlag erfolgt am 18. Juni.

Um die Dinge ins richtige Licht zu rücken, muss man sich Artikel 74 a der 2019 eingereichten Gletscher-Initiative vor Augen führen. Gestützt auf diesen Verfassungsartikel soll die Schweiz bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen auf null reduzieren. Ausnahmen sind für Emissionen möglich, die im Inland durch natürliche oder technische Kohlenstoffsenken neutralisiert werden können („Netto-Null-Emissionen“, „Klima-neutralität“); zweitens wird ab 2050 jegliche Inverkehrbringung fossiler Brenn- und Treibstoffe verboten. Während das erste Ziel als realistisch gilt (das ergibt sich aus den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen des Pariser Abkommens von 2015), ist es das zweite Ziel nicht. Aus diesem Grund legte der Bundesrat 2021 einen direkten Gegenentwurf vor, ebenfalls in Form eines neuen Verfassungsartikels 74a, der das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 aufgreift und mit der Empfehlung verknüpft, dass die Verwendung fossiler Brenn- und Treibstoffe „so weit wie möglich zu reduzieren ist, soweit dies technisch machbar, wirtschaftlich tragbar und mit der Sicherheit des Landes vereinbar ist […]“.

Als die Initiative und der direkte Gegenentwurf im Parlament zur Debatte standen, entschied sich das Parlament für die Ausarbeitung eines indirekten Gegenentwurfs zur Initiative in Form eines „Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz (KIG)“. Dieses Gesetz wurde 2022 verabschiedet und führte zu einem bedingten Rückzug der Gletscher-Initiative. Gleichzeitig wurde gegen dieses Gesetz von der SVP und einiger Wirtschaftsverbände das Referendum ergriffen. Aus diesem Grund stimmen wir am 18. Juni darüber ab. Sollte das neue Gesetz abgelehnt werden, käme die Gletscher-Initiative vors Volk.

Technisch möglich und wirtschaftlich tragbare Ziele

Was steht drin in einem Gesetz, das die Klimapolitik der Schweiz für das nächste Vierteljahrhundert steuern soll? Es ist ein kleines, relativ kurzes Rahmengesetz (15 Artikel) mit dem allgemeinen Ziel, dass die CO2-Neutralität bis 2050 mit Zwischenzielen für 2030 und 2040 sowie sektoralen Zielen für Gebäude, Verkehr und Industrie in Form von Richtwerten zu erreichen ist. Die Reduktionsziele müssen technisch möglich und wirtschaftlich tragbar sein; „soweit möglich“ müssen sie durch Emissionsverminderungen im Inland erreicht werden.

Der Text führt keine neuen Verbote oder Steuern ein, sondern delegiert die Umsetzung dieser Ziele auf andere Gesetze auf Ebene Bund und Kantone. Es beginnt mit dem CO2-Gesetz, das aktuell überarbeitet wird und künftig vermehrt auf Anreize statt auf Zwangsmassnahmen setzt. Die einzigen konkreten Massnahmen sind Finanzhilfen zur Förderung innovativer Technologien und Prozesse, die den Unternehmen den Energiewandel ermöglichen (1,2 Mrd. CHF über sechs Jahre) und zur Förderung des Ersatzes von Heizungsanlagen und zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden (2 Mrd. CHF über zehn Jahre). 

Ein tragfähiger Kompromiss

In den vergangenen Jahren hat sich Centre Patronal wiederholt für eine realistische und vernünftige Klimapolitik ausgesprochen. Eine Politik, welche bereits existierende Instrumente nutzt und auf Innovation und technischen Fortschritt setzt. Schrumpfung und Einschränkung der menschlichen Aktivitäten gehören nicht zu dieser Politik. Eine vernünftige Klimapolitik ermöglicht allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse, den Abschluss von Zielvereinbarungen zu erreichen, die mit einer Befreiung von der CO2-Abgabe einhergehen. Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die heute weitgehend umverteilt werden, sollen effizienter eingesetzt werden und die Sanierung von Gebäuden stärker vorantreiben. Auch soll der Franken dort investiert werden, wo er die grösste Menge an Treibhausgasen reduziert – im Ausland. Schliesslich gilt es auch, die Möglichkeiten zur Abscheidung von CO2 zu entwickeln und zu nutzen.

Das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz ist nicht frei von Fehlern, aber zusammen mit dem Entwurf des neuen CO2-Gesetzes bildet es eine Gesetzgebung, die grosso modo mit den oben beschriebenen Grundsätzen und Zielen übereinstimmt. Eine Gesetzgebung, die wahrscheinlich den bestmöglichen Kompromiss darstellt, der in der heutigen politischen Landschaft erzielt werden kann. Dieser Kompromiss verschont uns vor der weit radikaleren Gletscher-Initiative. Man kann daher diesem Gesetz im Juni mit gutem Gewissen zustimmen.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative: ein tragfähiger Kompromiss

SRF News: “Gletscher-Initative wird zurückgezogen

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Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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