- Politik, Steuern, Wirtschaft - Pierre-Gabriel Bieri
Finanzausgleich: Fluch oder Segen?
Finanzausgleich: Fluch oder Segen? Der nationale Finanzausgleich ist ein nützliches und legitimes Instrument, das den Bund und die zahlenden Kantone allerdings immer mehr kostet. Anstatt die bereits beträchtliche Belastung der Geberkantone noch weiter erhöhen zu wollen, wäre es besser, den Finanzausgleich dem Ziel zu unterwerfen, die Kapazitätsunterschiede zwischen den Kantonen schrittweise zu verringern.
Ein reicher Kanton, der seinen Reichtum umverteilt
„Zug schwimmt im Geld – ist das noch fair?“ Diese Überschrift eines Artikels im Online-Magazin Watson hätte die Aufmerksamkeit der Waadtländer Steuerzahler wecken können… Im Artikel geht es aber nicht um die Ufer des Lac Léman, sondern um den Kanton Zug, „schuldig“ gesprochen des Umstands, 2023 einen Überschuss von 461 Millionen Franken statt der budgetierten 248 Millionen Franken erzielt zu haben.
Der Kanton Zug ist nicht der einzige Kanton, der dank hoher Steuereinnahmen Gewinne erzielt, aber er zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Bevölkerung an diesem Glück teilhaben lässt. Die Kantonsregierung hat beschlossen, die Steuern weiter zu senken – durch eine generelle Reduktion des kantonalen Steuersatzes um vier Prozentpunkte und durch zusätzliche Abzüge für bestimmte Kategorien von Steuerzahlern. In Ergänzung dazu plant der Kanton Massnahmen zur Senkung der Krankenkassenprämien. Das weckt in anderen Kantonen zum Teil etwas Neid. Ist es nicht ungerecht, dass Zuger Institutionen, Unternehmen und die Bevölkerung in den Genuss dieser Wohltaten kommen, während weniger reiche Kantone und nun auch der Bund den Gürtel enger schnallen müssen?
Die Debatte zielt auf den nationalen Finanzausgleich, der vor etwas mehr als 15 Jahren neu konzipiert wurde und den wichtigsten Solidaritätsmechanismus zwischen Bund und Kantonen darstellt. Konkret werden die reichen Stände dazu angehalten, diejenigen Kantone finanziell zu unterstützen, deren Ressourcenpotenzial unter dem nationalen Durchschnitt liegt. Im Jahr 2024 steht der Kanton Zürich mit einem Beitrag von über 462 Millionen Franken immer noch an der Spitze der acht Geberkantone, während Zug mit 382 Millionen Franken auf dem zweiten Platz liegt. Im Jahr 2025 wird Zug auf den ersten Platz vorrücken, mit einem Beitrag von 431 Millionen gegenüber 419 Millionen aus Zürich. Der einzige Westschweizer Kanton, der regelmässig Beiträge in den nationalen Finanzausgleich leistet, ist Genf (199 Millionen im Jahr 2024, 253 Millionen im Jahr 2025). Der „gemeinsame Topf“ wird zudem durch den Bund gespeist, der das Anderthalbfache (2,7 Milliarden) dessen einzahlt, was die Geberkantone in der Summe leisten (1,8 Milliarden).
Der Finanzausgleich… zugunsten der Eidgenossenschaft?
Könnte man nicht von den reichen Kantonen verlangen, dass sie einfach noch mehr bezahlen? Diese Forderung wird in einer kürzlich im Parlament eingereichten Motion offen formuliert. Dabei geht es nicht unbedingt darum, die 18 Empfängerkantone stärker zu unterstützen, sondern den Anteil des Bundes am gemeinsamen Topf proportional zu senken – von 60% auf 55% des Gesamtbetrags, während der Anteil der reichen Kantone von 40% auf 45% steigen würde. Es würde sich also um eine zusätzliche Geste der Solidarität gegenüber der Bundeskasse handeln.
Diese Forderung und ganz allgemein die neidischen Reaktionen gegenüber Kantonen mit einer blühenden Finanzlage erfordern mehrere Einsprüche.
Als erstes sei gesagt, dass der nationale Finanzausgleich aus prinzipieller Sicht legitim ist. Wohlhabende Kantone verdanken ihren Wohlstand zu einem grossen Teil ihrem eigenen Geschick, aber sie profitieren auch von den eidgenössischen Rahmenbedingungen (Aussen- und Handelspolitik, Sicherheit und Verteidigung, Infrastruktur usw.). Daher ist es normal, dass sie einen ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitrag leisten. Die Festlegung dieses Beitrags ist jedoch zwangsläufig das Ergebnis eines Kompromisses zwischen allen Beteiligten und sollte nicht Gegenstand von Maximalforderungen sein, da die oben genannten Beträge bereits beträchtlich sind.
„Sollten sich ressourcenschwache Kantone, anstatt das Zuger Beispiel zu kritisieren, nicht besser dadurch inspirieren lassen?“
Disparitäten abbauen, anstatt sie zu zementieren
Zweitens ist es zwingend erforderlich, daran zu erinnern, dass das Budget des Bundes in den letzten drei Jahrzehnten mit einem schwindelerregenden Wachstum seiner Einnahmen wie auch seiner Ausgaben regelrecht explodiert ist. Zwar führen verschiedene internationale Krisen aktuell zu einem anhaltenden Haushaltsdefizit, doch existieren dennoch viele Möglichkeiten, die Ausgaben zu senken, bevor die Kantone, die in den Finanzausgleich einzahlen, um zusätzliche Beiträge gebeten werden.
Eine dritte Überlegung richtet sich schliesslich an die eigentlichen Ziele des Finanzausgleichs. In seinem im März dieses Jahres veröffentlichten Wirksamkeitsbericht stellt der Bundesrat fest, dass der Ressourcenausgleich „eine erhebliche Reduktion der Disparitäten in der finanziellen Leistungsfähigkeit“ zwischen den Kantonen bewirkt. Daneben sei aber auch zu beobachten, dass die Entwicklung im Zeitverlauf „ziemlich stabil“ sei, „in den zuletzt beobachteten Jahren nahmen die Disparitäten aber leicht zu“. Mit anderen Worten: Der Ausgleich gleicht jedes Jahr dieselben Disparitäten aus, die sich auch mit der Zeit nicht verringern, sondern im Gegenteil steigende finanzielle Beiträge des Bundes und der ressourcenstarken Kantone erfordern – die Mittel für den Ressourcenausgleich steigen zwischen 2024 und 2025 um 7,3 Prozent! Sollte man nicht etwas mehr Ehrgeiz an den Tag legen und verlangen, dass die Empfängerkantone die Zahlungen aus dem Finanzausgleich auch dazu nutzen, ihre Position schrittweise zu verbessern? Und sollten sich ressourcenschwache Kantone, anstatt das Zuger Beispiel zu kritisieren, nicht besser dadurch inspirieren lassen und selbst Mittel und Wege finden, um ihr Potenzial zu verbessern? Ein solches Ziel, auch wenn es nicht immer einfach zu erreichen ist, würde den nationalen Finanzausgleich von einem Fass ohne Boden zu einem stimulierenden Entwicklungsinstrument machen.
Weiterführende Informationen zum Beitrag “Finanzausgleich: Fluch oder Segen“:
Eidg. Finanzdepartement EFD: Finanzpolitik
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Finanzausgleich: Wer nimmt? Wer gibt?
Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP, Studie 10.01.2024 von MA Lukas Mair, Dr. Martin Mosler und Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger: Folgenschwere Fehlanreize im Finanzausgleich
Grafiken
Eidg. Finanzverwaltung EFV; Bundeshaushalt
Eidg. Finanzdirektion EFD: Geber- und Nehmerkantone, Nettoausgleichszahlungen