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Denkanstösse gegen eine starre Volksinitiative

10-Millionen-Schweiz: Im Bild ist ein gut besuchter öffentlicher Platz zu sehen.

10-Millionen-Schweiz: Denkanstösse gegen eine starre Volksinitiative. Der Bundesrat verzichtet auf einen Gegenvorschlag zur Initiative „Keine 10-Millionen-Schweiz“. Dabei könnte man viel dafür tun, dass die demografische Entwicklung nicht als Synonym von Erstickung und Überlastung erlebt wird und genauer auf die Bedürfnisse der Schweizer Unternehmen abgestimmt würde.

Ein Text, der auf die Personenfreizügigkeit abzielt

Die SVP reichte vor knapp einem Jahr ihre Volksinitiative „Keine 10-Millionen-Schweiz“ ein, die auch als „Nachhaltigkeits-Initiative“ bezeichnet wird. Die Initiative wurde im Sommer 2023 (vor den eidgenössischen Wahlen) lanciert und ist mit 114’430 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Am 21. März 2025 nahm der Bundesrat Stellung und übermittelte dem Parlament seine Botschaft: Er empfiehlt, die Initiative abzulehnen und sie Volk und Ständen ohne direkten oder indirekten Gegenentwurf zur Abstimmung vorzulegen.

Der Initiativtext verlangt, dass in der Bundesverfassung ein Artikel 73a „Nachhaltige Bevölkerungsentwicklung“ eingefügt wird, der verlangt, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz bis zum Jahr 2050 nicht mehr als 10 Millionen Menschen umfassen darf. Diese Grenze könnte dann „entsprechend dem natürlichen Wachstum“ angepasst werden. Die Initianten fügen dem Ganzen eine allgemeine Verführungsschicht hinzu, indem sie sich auf den Wunsch berufen, die Umwelt, die natürlichen Ressourcen, die Infrastruktur, das Gesundheitswesen und die Sozialversicherungen zu erhalten.

Ein relativ präziser Mechanismus würde in den Übergangsmassnahmen festgelegt: Sobald die Bevölkerung 9,5 Millionen Menschen erreicht, müssten die Behörden Massnahmen ergreifen, indem sie auf das Asylwesen und die Familienzusammenführung einwirken, sich auf Ausnahme- oder Schutzklauseln in bestimmten internationalen Verträgen berufen, die das Bevölkerungswachstum beeinflussen, und sogar versuchen, diese Verträge neu zu verhandeln. Wenn diese Massnahmen nicht ausreichen und die Grenze von 10 Millionen überschritten wird, sollten die betreffenden Abkommen „so schnell wie möglich“ gekündigt werden. Insbesondere das Abkommen mit der EU über die Personenfreizügigkeit sollte nach zwei Jahren der Überschreitung gekündigt werden.

In seiner Stellungnahme stellt der Bundesrat fest, dass diese Initiative den Wohlstand der Schweiz gefährdet, das Funktionieren der Gesellschaft beeinträchtigen und den bilateralen Weg mit der EU gefährden würde.

Kein Gegenentwurf, aber…

Indem die Initiative eine willkürliche Bevölkerungsgrenze festlegt, die ausserhalb jeder pragmatischen Überlegung zu den Bedürfnissen des Landes und seiner Aktivitäten liegt, und indem sie automatische Guillotine-Klauseln hinzufügt, ist sie in der Tat schädlich. Sie zeugt von einer eher administrativen als politischen Sichtweise, bei der eher auf Vorschriften als auf Intelligenz vertraut wird. Ist es jedoch klug, die Initiative ohne einen Gegenentwurf, selbst wenn dieser indirekt ist, zur Volksabstimmung zu bringen? Diese Frage sollte gestellt werden, da in der Bevölkerung Unzufriedenheit mit dem Bevölkerungsdruck herrscht.


Der Bundesrat ist sich dessen bewusst. Er lehnt zwar die Idee eines Gegenvorschlags ab, verweist aber dennoch auf mehrere bereits getroffenen oder geplanten Massnahmen, z. B. zur Verringerung der Asylanträge, zur besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials innerhalb der in der Schweiz lebenden Bevölkerung oder zur Förderung des Wohnungsbaus. Er erwähnt auch die Schutzklausel, die nun im Abkommen über den freien Personenverkehr ausgehandelt wird und die im Falle von ernsthaften wirtschaftlichen oder sozialen Schwierigkeiten aktiviert werden kann.

Auf Seiten des Parlaments ist der Wunsch spürbar, einen Gegenentwurf vorzuschlagen. Die Medien berichteten kürzlich über eine Idee von Nationalrat Simon Michel (FDP), die darin bestünde, elf Jahre lang eine Abgabe von 3% auf das Gehalt jedes Ausländers zu erheben, der in die Schweiz zieht. Die Frage ist, ob eine solche Steuer die Einwanderung bremsen würde oder ob sie dem Staat nur mehr Geld einbringen würde.

Vorschläge, die in die Überlegungen des Parlaments einfliessen sollen

Die Initiative muss bekämpft werden, aber man muss der Bevölkerung auch aufzeigen, dass man das Problem nicht auf die leichte Schulter nimmt. Was man schon seit Jahren hätte tun sollen, ist die Infrastruktur – insbesondere den Wohnungsbau und den Strassen- und Schienenverkehr – in einer Weise zu entwickeln, die mit der Bevölkerungsentwicklung korreliert, damit diese nicht gleichbedeutend mit Erstickung und Überlastung ist. Eine solche Anstrengung bleibt mehr denn je notwendig, auch wenn sie langfristig angelegt ist und daher nicht als Gegenentwurf erscheinen kann.

Gleichzeitig müssen schnelle und konkrete Verbesserungen im Asylbereich (vom Bundesrat zitiert), aber auch im Bereich der kriminellen Ausländer oder der Ausländer, die hauptsächlich von Sozialleistungen leben, oder bei der Familienzusammenführung vorgeschlagen werden. Es geht darum, zu zeigen, dass das Bevölkerungswachstum so genau wie möglich auf die Bedürfnisse der Schweizer Unternehmen abgestimmt ist. Es ist auch wichtig, die Bemühungen um Motivation und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Bevölkerung, die heute in der Schweiz lebt, aufrechtzuerhalten, indem man insbesondere betont, dass der soziale Fortschritt, der Teilzeitarbeit und kurze Arbeitszeiten begünstigt, fast zwangsläufig zusätzliche ausländische Arbeitskräfte mit sich bringt.


Diese wenigen Vorschläge dürften bei einigen Befürwortern der Initiative auf Resonanz stossen. Sie könnten die Überlegungen des Parlaments für einen Gegenentwurf unterstützen.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “10-Millionen-Schweiz: Denkanstösse gegen eine starre Volksinitiative

Medienmitteilung BR 21.03.2025: Bundesrat will den Wohlstand und die Sicherheit bewahren

Medienmitteilung BR 03.04.2025: Wohnbevölkerung der Schweiz steigt 2024 auf über neun Millionen, trotz Geburtenrückgang




Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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