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Bilaterale III: Grünes Licht für Verhandlungen

bilaterale_III_Verhandlungsmandat. Das Bild zeigt die Schweizer und EU-Flagge auf einem Tisch mit Dossiermappen, stellvertretend für die Verhandlungen im Rahmen der Bilateralen III.

Der vom Bundesrat vorgelegte Entwurf für ein Verhandlungsmandat findet breite Unterstützung – von den Wirtschaftsverbänden bis zu den Gewerkschaften, vom Bundesparlament bis zu den Kantonsregierungen. Jeder fügt jedoch seine Bedingungen und Interpretationen hinzu, insbesondere beim zentralen Thema des Lohnschutzes.

Breite Unterstützung, mit Nuancen und Bedingungen

In der vergangenen Woche gab es mehrere Stellungnahmen, die den Entwurf des Verhandlungsmandats zwischen der Schweiz und der EU, wie er vom Bundesrat im Dezember vorgelegt wurde, befürworteten. Neben dem wiederholten Engagement der grossen Wirtschaftsverbände ist eine erwähnenswerte Position die des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), der seine Bedenken bereits vor der Ankündigung des Bundesrates geäussert hatte, heute aber seine Unterstützung für Verhandlungen mit der EU bekräftigt, „sofern der Schutz der Löhne und der Service public gewährleistet sind“. In einem ausführlichen, zehnseitigen Dokument fordern die Gewerkschaften, dass die flankierenden Massnahmen weder durch die dynamische Übernahme des neuen EU-Rechts noch durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geschwächt werden dürfen. Darüber hinaus werden Verbesserungen des Schweizer Rechts in Bezug auf die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von GAV und die Regulierung der Temporärarbeit gefordert. Der SGB spricht sich zudem gegen eine Liberalisierung der Stromversorgung oder des internationalen Schienenpersonenverkehrs aus.

Im Bundesparlament hat die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates bereits ihre Unterstützung für den Entwurf des Verhandlungsmandats mit 16 zu 9 Stimmen angekündigt. In ihrer Medienmitteilung hebt die Kommission die positiven Aspekte des Entwurfs hervor, erwähnt aber auch, dass es noch Klärungsbedarf geben wird, insbesondere im Bereich des Lohnschutzes. Die anderen parlamentarischen Kommissionen werden in den nächsten Wochen Stellung nehmen.

Am vergangenen Wochenende war es die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), die sich mit grosser Mehrheit (24 zu 1 bei einer Enthaltung) für eine Unterstützung des vom Bundesrat vorgelegten Entwurfs aussprach. Die Kantone drücken insbesondere ihre Zufriedenheit mit der Idee aus, dass die EU-Regeln für staatliche Beihilfen nur in den Bereichen Auswirkungen haben sollten, die Gegenstand eines Marktzugangsabkommens sind (Luftverkehr, Landverkehr und Elektrizität). Eine rasche Assoziierung der Schweiz mit den europäischen Bildungs- und Forschungsprogrammen wird als überaus wichtig erachtet. Die Kantone erinnern daran, dass sie an den Vorbereitungsarbeiten mitgewirkt haben, und bekräftigen, dass sie das Dossier weiterhin aufmerksam verfolgen werden.

„Der bilaterale Weg bietet seit einem Vierteljahrhundert einen stabilen und vorteilhaften Rahmen für unsere Beziehungen mit der Europäischen Union. Dieser Rahmen muss sich jedoch weiterentwickeln.“

Ein angemessener institutioneller Ansatz

Auch Centre Patronal unterstützt den vom Bundesrat vorgelegten Entwurf, bei dem daran erinnert werden muss, dass er lediglich ein Verhandlungsmandat definiert, ohne dem Ergebnis der Verhandlungen vorzugreifen. Der allgemeine Kontext ist der des bilateralen Weges, der bereits seit einem Vierteljahrhundert einen stabilen und vorteilhaften Rahmen für unsere Beziehungen mit der Europäischen Union bietet. Dieser Rahmen muss sich jedoch weiterentwickeln, damit bestehende Abkommen aktualisiert werden können und neue Abkommen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können.

Der institutionelle Ansatz, der – nunmehr in jedem Abkommen – die Beilegung von Streitigkeiten durch ein paritätisches Schiedsgericht vorsieht, erscheint angemessen; dieses Gericht wird nicht dem Europäischen Gerichtshof unterstellt, es sei denn, es ruft den Gerichtshof wegen der Auslegung von EU-Recht an. Als letztes Mittel behält jede Partei die Möglichkeit, einen Schiedsspruch nicht umzusetzen, wenn sie bereit ist, angemessene Ausgleichsmassnahmen der anderen Partei zu akzeptieren.

Der Schutz der Löhne ist ein legitimes Anliegen

Wie die meisten anderen Institutionen, die sich geäussert haben, misst auch Centre Patronal der Aktualisierung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA), das den Zugang zum EU-Markt erleichtert, sowie der Beteiligung der Schweiz an den Forschungs- und Ausbildungsprogrammen der EU oder einem Abkommen über den Elektrizitätsmarkt grosse Bedeutung bei. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass für staatliche Beihilfen, die in der EU generell umstritten sind, in der Schweiz Ausnahmen gelten, wie dies in den anderen europäischen Staaten der Fall ist. Zudem wird es darum gehen, eine Übernahme der EU-Richtlinie über die Unionsbürgerschaft auszuschliessen, deren politische und finanzielle Folgen nicht kalkulierbar sind.

Der Schutz der Löhne ist ein legitimes Anliegen. In diesem Zusammenhang wird es sich lohnen, das System der Kautionen für ausländische Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in die Schweiz entsenden, als Ausnahme für die Schweiz beizubehalten. Auch das Prinzip der Kontrollen durch paritätische oder tripartite Kommissionen sollte beibehalten werden. In Bezug auf die Erstattung von Berufsauslagen soll an dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ festgehalten werden, also an einer Berücksichtigung der Kosten nach Schweizer Praxis.
Bleibt schliesslich noch die Frage der von den Gewerkschaften geforderten flankierenden Massnahmen, insbesondere die Modernisierung der Mechanismen zur Allgemeinverbindlicherklärung von GAV. In diesem speziellen Punkt kann Centre Patronal daran erinnern, dass es sich seit mehreren Jahren für eine solche Modernisierung einsetzt, die für die Festigung der Sozialpartnerschaft unerlässlich ist.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Bilaterale III: Grünes Licht für Verhandlungen

economiesuisse: Bilaterale III – um was geht es eigentlich?

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Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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