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- Aussenwirtschaft, Politik, Wirtschaft - Jimmy Dupuis

Beerdigte Abkommen leben nicht wieder auf

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Auch dank der kollektiven Klima-Hysterie rückte die bange Schicksalsfrage unserer Beziehungen zur Europäischen Union (EU) in den Hintergrund. Seitdem der Bundesrat die EU um Klärungen ersucht hat, ist die Frage des institutionellen Abkommens zweitrangig geworden. Damit riskiert die Schweiz, dass zahlreiche bestehende Abkommen hinfällig werden; dabei sind Marktzugangsabkommen mit der EU für die Schweizer Wirtschaft jedoch wichtiger denn je.

2019: Ein chaotisches Jahr

Das zwischen der Schweiz und der EU ausgehandelte institutionelle Abkommen zielt auf die Konsolidierung des gegenseitigen Marktzugangs ab. In der ersten Jahreshälfte 2019 schickte die Regierung das Rahmenabkommen bei Sozialpartnern und Kantonen in die Vernehmlassung. Obwohl der ausgehandelte Text im Allgemeinen ausgewogen ist, war er nicht mehrheitsfähig. Der Bundesrat hat deshalb die EU um Klärung in drei heiklen Punkten ersucht: Lohn- und Arbeitnehmerschutz, Unionsbürgerrichtlinie sowie staatliche Beihilfen. Im subtilen Spiel von „Je t’aime, moi non plus“ manifestierte dann die EU ihre Unzufriedenheit, indem sie die schweizerische Börsenäquivalenz nicht verlängerte. Seitdem stehen die Verhandlungen mehr oder weniger still.

Zugegebenermassen hat die schweizerische Regierung einen wahren Eiertanz zu bewältigen: Im Mai 2020 kommt die gefährliche Begrenzungsinitiative zur Abstimmung. Darin wird die Abschaffung des freien Personenverkehrs mit der EU gefordert. Dies würde zur Kündigung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) führen, was aufgrund der Guillotine-Klausel de jure auch den Tod der wichtigsten bestehenden Marktzugangsabkommen zur Folge hätte. Es liegt daher auf der Hand, dass die Annahme der Initiative das institutionelle Abkommen seines Zwecks berauben würde. Das Abkommen zielt ja bekanntlich eben gerade darauf hin, einen Rahmen für Marktzugangsabkommen zu schaffen. Das Parlament ist nicht gewillt, bei den Marktzugangsabkommen einen Bruch herbeizuführen und lehnt deshalb die Begrenzungsinitiative klar ab.

Unterschiedliche Ausgangslage

Unter diesen Umständen ist es verlockend, Lehren aus dem Brexit zu ziehen. Denn wenn der britische Premierminister Boris Johnson einige Zugeständnisse von Brüssel erhalten hat, sollte Bern zumindest versuchen, dies auch zu erreichen. Damit würde man jedoch ausblenden, dass der Brexit de facto eine Scheidungskonvention beinhaltet, während mit dem institutionellen Abkommen der Boden für ein erfolgreiches Zusammenleben gelegt werden soll. So oder so ist der Brexit nach vielen Monaten der Unsicherheit noch lange nicht festgeschrieben.

Andere erwarten, dass die neue Europäische Kommission unter dem Vorsitz von Ursula von der Leyen weniger unnachgiebig sein wird. Nur wurden die Grundlagen für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Jahr 2008 durch die Mitgliedstaaten besiegelt und dies mit einem klaren Willen: Nur ein Rahmenabkommen kann die sektoralen Abkommen stabilisieren und aufrechterhalten. Da die Kommission ihre Legitimität von den Mitgliedstaaten erhält, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass sie ihre Politik zu ändern vermag.

Wie ein Bumerang 

Da die meisten Exporte der Schweiz für den europäischen Markt bestimmt sind, kann sich die Schweiz nicht mit einer abwartenden Haltung zufriedengeben. Mangels Unterzeichnung des institutionellen Abkommens, werden die verschiedenen Marktzugangsabkommen nicht mehr aktualisiert. Es genügt daher, dass sich ein bestimmter Bereich des Europarechts entwickelt, um den einen oder anderen Sektor der Schweizer Wirtschaft lahmzulegen. Die aktuellen Probleme der Medtech-Industrie sind hierfür ein deutliches Exempel. Zudem könnten in der Zukunft keine neuen Marktzugangsabkommen mehr abgeschlossen werden. Dies wäre beispielsweise beim Strom der Fall. Ein Abkommen mit der EU würde die Einfuhr erleichtern, was sich nicht zuletzt positiv auf den Preis und die Netzwerkstabilität auswirken würde. Mit ihrem Nichtstun gefährdet die Schweiz im Moment die bestehenden Marktzugangsabkommen und beraubt sich der Chance, neue Abkommen zum Wohle der Schweizer Wirtschaft abschliessen zu können.

Zugegeben, eine Hintertüre könnte die Deklaration von einseitigen politischen Interpretationen sein. Solche Deklarationen müssten aber konsistent und mehrheitsfähig sein. Zumindest zurzeit erscheint dies utopisch, weil die Gewerkschaften an ihrer dogmatischen Position festhalten und die Kantonsregierungen bezüglich staatlicher Beihilfen zaudern. Auf jeden Fall wird es notwendig sein, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um wahre Liebe vorzuspielen, da andere Nationen nur darauf warten, ihrerseits die volle Aufmerksamkeit der EU auf sich zu ziehen. Dies gilt insbesondere für Anwärter der europäischen Union. Darüber hinaus ist die EU frei, sich neue Handelspartner anzulachen. Vergessen wir nicht, dass verschmähte Liebhaber neues Glück suchen werden, halt woanders…



Jimmy Dupuis,
Responsable politique économie extérieure

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