- Bern - Martin Kuonen
Wettbewerbsfähigkeit Schweiz: Eine andere Einstellung ist gefragt
Die Wettbewerbsfähigkeit der Rahmenbedingungen in der Schweiz hat sich im internationalen Vergleich massiv verschlechtert. Neue Regulierungen führen zu mehr Bürokratieaufwand und grösseren Kosten in den Unternehmen. Leidtragender ist der Wirtschaftsstandort Schweiz. Deshalb sollten sowohl Staat als auch Politik ihr Augenmerk auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen richten. Für den Staat heisst dies, Wünschbares vom Notwendigen zu trennen. Und die Politik soll sich von aktivistischem Handeln verabschieden.
Schwindende Wettbewerbsfähigkeit durch überbordende Bürokratie
Das KMU-Forum ist eine Kommission von ausserparlamentarischen Expertinnen und Experten. Der Bundesrat schuf das Gremium 1998. Dessen Sinn und Zweck ist die Prüfung von Gesetzes- und Verwaltungsentwürfen auf ihre Wirtschaftsverträglichkeit für KMU. Letzte Woche schlug das Forum Alarm. Laut der Studie Doing Business 2020 der Weltbank, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Rahmenbedingungen für Firmen in 190 Ländern misst, findet sich die Schweiz lediglich auf dem 36. Platz. Von Rankings kann man halten, was man will. Scheingenauigkeiten und fragwürdige Auswahl von Parametern mögen Verzerrungen bewirken. Die Tendenz hingegen ist glasklar: Die Schweiz fällt im internationalen Vergleich massiv zurück. Im Jahr 2007 belegte man noch Platz 15!
Den Befund zunehmender regulierungsbedingter Mehrbelastung teilen im Übrigen die direkt betroffenen Unternehmen. Laut dem im letzten Jahr veröffentlichten Bürokratiemonitor 2018 bestätigen mehr als 2/3 der befragten Unternehmen eine Zunahme der administrativen Belastung. Überbordende Bürokratie ist oft zurückzuführen auf eine nicht enden wollende Regulierungsflut.
Diese schadet der Wirtschaft, weil personelle Ressourcen gebunden werden und zusätzliche Kosten anfallen. Beides, Personal und Geld, fehlt dann im Kerngeschäft. Leidtragender ist der Wirtschaftsstandort Schweiz. Dieser ist mit fast 90% geprägt von Kleinst- oder Mikrounternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Arbeitet man in einem kleinen Team, muss man innovativ sein und flexibel bleiben. Hohe administrative Lasten wirken sich deshalb bei diesen KMU besonders negativ aus. Der überbordenden Bürokratie muss daher Einhalt geboten werden. Doch wo liegt die Wurzel des Übels?
Wünschbares vom Notwendigen trennen
Fangen wir beim Staat an. Da grassiert die Manie, alles und jedes bis ins kleinste Detail mit Regeln vorschreiben zu wollen. Implementiert wird so eine Vollkasko-Mentalität. Annehmlichkeiten und individuelle Lebensentwürfe gelten zusehends als selbstverständlich. Sie sollen staatlich finanziert werden, sprich über Steuern oder Lohnprozente. Wer so handelt, muss sich nicht wundern, wenn Eigenverantwortung, Subsidiarität und persönliches Engagement in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung verlieren. Die Gesetzgebungsmaschinerie, welche Bund und Kantone angeworfen haben und die permanent auf Hochtouren läuft, sollte sich wieder an folgender Maxime orientieren: Das Wünschbare ist vom Notwendigen zu trennen.
Was vor allem auch ins Geld geht und die Schweiz im internationalen Vergleich hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit massiv benachteiligt, ist ein „Swiss Finish“ und vorauseilender Gehorsam bei der Übernahme von EU-Recht. Oft ist die Schweiz aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, EU-Recht in inländisches Recht zu überführen. Nur sollte davon abgesehen werden, dieses möglichst rasch, perfektionistisch und mit Akribie zu übernehmen und wenn möglich noch mit eigenen zusätzlichen Bestimmungen anzureichern. Auch hier gibt es hinlänglich Potenzial für eine Bürokratieentlastung.
Gefordert ist aber auch die Politik. Nicht Parlamentarierinnen oder Parlamentarier, welche am meisten Vorstösse einreichen, sind für den Wirtschaftsstandort Schweiz am erfolgreichsten. Denn diese Vorstösse münden meistens im Erlass von neuen Gesetzen. Ausgelöst werden dadurch in der Regel neue regulatorische Kosten, verbunden mit einem Anstieg an Bürokratie. Vielfach kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die permanente Mediatisierung, das Schielen auf Rankings jeglicher Art und das Heraufbeschwören jeder gesetzlichen Lücke zu einem Skandal Triebfeder für aktivistisches politisches Handeln sind. Aber auch hier gilt: Weniger ist mehr.
Taten statt Worte
Das KMU-Forum schlägt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem neue Mechanismen vor. Es empfiehlt die Einführung einer Regulierungsbremse, die Schaffung eines Organs zur Überprüfung der Regulierungsfolgenabschätzung und die Festsetzung eines verbindlichen Ziels zur Reduktion der durch bestehende Regulierungen verursachten Kosten. Dies ist wohl gut gemeint. Nur lösen die vorgeschlagenen Massnahmen neuen Bürokratieaufwand aus und dies, um das bestehende „Bürokratiemonster“ zu bekämpfen…
Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hängt im Grossen und Ganzen von den staatlichen Rahmenbedingungen ab. Diese sollen den Unternehmen einen möglichst grossen Freiraum für ihr wirtschaftliches Handeln garantieren. Was es somit braucht sind Treiber, welche helfen, diese staatlichen Rahmenbedingungen zu optimieren. Im Klartext: Es muss weniger reguliert werden. Und bei bestehenden Regulierungen ist zu hinterfragen, ob diese zwingend notwendig sind. Wenn nein, gehören sie abgeschafft. Wenn eine Regulierung noch gebraucht wird, ist zu hinterfragen, ob diese nicht mit weniger einschränkenden Massnahmen erreicht werden kann.
Zum Schluss noch ein Blick über den Tellerrand hinaus. Die Bundesrepublik kennt das Institut „Nationaler Normenkontrollrat“ (NKR). Er ist ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung für Bürokratieabbau und prüft die transparente und nachvollziehbare Darstellung der Bürokratiekosten sowie die gesamten Folgekosten der Gesetzes- und Verordnungsentwürfe (Evaluierung ex ante). Ebenso wichtig die Aufgabe, in regelmässigen Abständen zu prüfen, wie sich Gesetze und Verordnungen in der Praxis bewährt haben (Evaluierung ex post). Ab einem Schwellenwert von 1 Million Euro wird nach 3 bis 5 Jahren erneut geprüft, ob die in den Rechtserlassen formulierten Ziele tatsächlich erreicht werden und die Schätzungen der Kostenfolgen zutreffend waren. Zudem will der NKR einen Schritt weitergehen und nicht nur die Kostenfolgen von Gesetzen quantifizieren, sondern – soweit möglich – auch den Nutzen. Dies könnte als Inspirationsquelle dienen, um in der Schweiz wieder eine bessere Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen zu erlangen.