- Bern - Olivier Savoy
Volkswirtschaftliche Kosten von Sucht einseitig betrachtet
Nach einer neuen Studie sollen für 2017 die volkswirtschaftlichen Kosten des Konsums potentiell suchtbildender Substanzen wie Alkohol, Tabak und Drogen in der Schweiz CHF 7,7 Mia. betragen haben. Die Gegenseite dieser volkswirtschaftlichen Berechnung wurde leider nicht berechnet, was die errechneten „Suchtkosten“ stark relativiert.
Direkte Kosten und Produktivitätsverluste
Im Rahmen der nationalen Strategie Sucht hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Studie in Auftrag gegeben, welche die volkswirtschaftlichen Kosten insbesondere des Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsums in der Schweiz erheben soll. Medikamenten- und Verhaltenssüchte (Glücksspiel- und Internetsucht) wurden dabei auch erhoben, wegen Abgrenzungsschwierigkeiten und ungenügender Datenlage ist eine vollständige Erhebung der volkswirtschaftlichen Kosten aber nicht möglich.
Methodisch wurden die volkswirtschaftlichen Kosten in direkte und indirekte Kosten gegliedert: Die direkten Kosten des Suchtmittelkonsums entstehen hauptsächlich im Gesundheitswesen in Form von Gesundheitsausgaben für die Behandlung von suchtbedingten Krankheiten, Unfällen und Verletzungen und basieren auf den gesamten Ausgaben im Gesundheitswesen ohne den Teil, der vom Verursacher selbst getragen wird. Daneben entstehen auch Kosten für die Verfolgung von suchtbedingten Straftaten und durch suchtbedingte Sachschäden. Die Verfolgung suchtbedingter Straftaten verursacht Kosten durch Staatsausgaben für die Polizei, die Justiz und den Strafvollzug. Berücksichtigt werden Straftaten mit Bezug zu Alkohol- und Drogenkonsum (bzw. -beschaffung).
Suchtbedingte Krankheiten, Unfälle oder Gewalt verursachen sodann indirekte Kosten in Form von Produktivitätsverlusten. Diese entstehen aufgrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes (Morbidität) oder eines frühzeitigen Todes (Mortalität). Zusätzlich können auch der Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz wie auch die unmittelbaren, kurzfristigen Folgen eines exzessiven Konsums durch kurzfristige Abwesenheit (Absentismus) oder reduzierte Leistung während der Arbeit (Präsentismus) zu Produktivitätsverlusten führen; letztere sind vor allem auf den Alkoholkonsum sowie die Spielsucht zurückzuführen.
Suchtbedingte Kosten in der Schweiz
Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten dieses Suchtkonsums sollen im Jahre 2017 CHF 7,7 Mia. gekostet haben. Davon wären CHF 3,9 Mia. durch den Tabakkonsum, CHF 2,8 Mia. durch den Alkoholkonsum und CHF 0,9 Mia. durch den Drogenkonsum verursacht worden. Die zusätzlich teilweise erhobenen Kosten von Spielsucht beliefen sich auf CHF 61 Mio.
In Bezug auf die Wirtschaftsleistung entsprechen diese Kosten 1,1 Prozent des BIP. Die im Jahr 2017 ermittelten Kosten des Suchtmittelkonsums sind suchtbedingten Erkrankungen häufig auf vergangenen Konsum zurückzuführen. Da der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol in der Schweiz stetig abgenommen und sich auch der Tabakkonsum reduziert hat, nimmt die Studie an, dass die Kosten des heutigen Alkohol- und Tabakkonsums in der Zukunft etwas niedriger ausfallen werden.
Konsum ist nicht gleich Sucht
Die Studie geht von einer Situation ohne Konsum der potenziell suchtbildenden Substanzen und Güter aus und berechnet dann alle Kosten des Suchtmittelkonsums. So wird am Beispiel des Alkoholkonsums nicht differenziert zwischen dem moderaten und dem schädlichen Risikokonsum und damit unterstellt, dass auch moderater Alkoholkonsum suchtbedingte Kosten verursacht.
Doch sind alkoholische Getränke und Tabakwaren legale Produkte, Glücksspiele und Internetsurfen legale Dienstleistungen, welche grundsätzlich auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen generieren und erst durch deren übermässigen oder unangebrachten Konsum zum Risiko, damit zur Sucht und schliesslich zur ökonomischen Last werden. Der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Produkte und Tätigkeiten wird durch eine unternehmerische Tätigkeit erbracht, die auch Arbeitsplätze und damit Einkommen generieren, den Konsum fördern und dem Staat in Form von Unternehmens- und Personensteuern sowie unzähligen weiteren Steuern und Abgaben einen hohen Umsatz generieren.
Gesamtvolkswirtschaftliche Perspektive notwendig
Dass Raucher volkswirtschaftlich nicht nur Suchtkosten verursachen sondern sogar Nettozahler sind, berechneten Ökonomen der Universität Neuenburg bereits 1998 im Auftrag des Bundes: Durch die Reduktion des Langlebigkeitsrisikos, das der AHV/IV und den Pensionskassen zusetzt, sowie der Tabaksteuer, die dem Bund mittlerweile etwas über CHF 2 Mia. einbringen, leisten die Raucher einen Beitrag, der ihre Suchtkosten mehr als deckt.
Damit soll keinesfalls negiert werden, dass Alkohol- und Tabakkonsum nicht schädlich sein können mit negativen Folgen für die Konsumierenden und ihr Umfeld, für die Gesundheitsausgaben und auch für die Wirtschaft. Nur ist alles eine Frage der Wertung und der Lauterkeit, beim Thema Sucht und Prävention beide Seiten der Medaille gleichwertig zu beurteilen.
Denn gesetzliche Einschränkungen und Präventionsmassnahmen zur Eindämmung von Sucht sind nicht per se legitim, weil sie volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Das öffentliche Interesse ruft nach einer gesamtvolkswirtschaftlichen Betrachtung des Konsums von potenziell suchtbildenden Substanzen, das verfassungsmässige Prinzip der Verhältnismässigkeit nach deutlicher Trennung zwischen moderatem, verantwortlichem Konsum und Sucht.