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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Zum Steuersystem: Sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen

Bild zeigt Miniaturfiguren auf einem Taschenrechner, stellvertretend für uns Steuerzahlende. Mehrere kantonale und kommunale Abstimmungen sowie die Lancierung einer Volksinitiative machen deutlich, dass nicht nur die Besteuerung von Unternehmen, sondern auch die Besteuerung von natürlichen Personen gepflegt werden muss.

Mehrere kantonale und kommunale Abstimmungen sowie die Lancierung einer Volksinitiative machen deutlich, dass nicht nur die Besteuerung von Unternehmen, sondern auch die Besteuerung von natürlichen Personen gepflegt werden muss.

Ein Abwärtstrend in mehreren Kantonen

Das Thema Steuern ist in den Nachrichten sehr präsent und spielte am vergangenen Sonntag gleich in drei Volksabstimmungen eine Rolle. In Biel lehnte die Bevölkerung zwei von der Linken vorgeschlagene Steuererhöhungsvarianten ab, die auf Unternehmen, aber auch auf natürliche Personen abzielten. Im Kanton Zürich wurde eine Erhöhung der Abzüge für Krankenkassenprämien angenommen, was zu geschätzten Mindereinnahmen von 45 Millionen CHF für den Kanton und ebensoviel für die Gemeinden führte. Und in Basel-Landschaft stimmte eine klare Mehrheit für eine Senkung der Vermögenssteuer von 4,6 auf 3,3 Promille, wobei die Freigrenze für Alleinstehende von 75’000 auf 90’000 CHF und für Paare und Alleinerziehende von 150’000 auf 180’000 CHF angehoben wurde; die Steuerausfälle werden auf 36,5 Millionen CHF für den Kanton und 5,5 Millionen CHF für die Gemeinden geschätzt. Diese letzte Abstimmung ist bemerkenswert, da die Senkung einer Steuer, die nur einer Minderheit der Bevölkerung zugute kommt, selten eine Mehrheit mobilisiert. In diesem Fall wurde diese Reform von der Kantonsregierung selbst vorgeschlagen, die sich auf die Notwendigkeit berief, den Kanton im regionalen Vergleich attraktiver zu machen.

Im Kanton Waadt hat die Regierung in ihrem Legislaturprogramm zwar den Willen verankert, innerhalb von fünf Jahren die Steuern für natürliche Personen um 250 Millionen zu senken. Doch wurde kürzlich von den wichtigsten Wirtschaftsverbänden eine Volksinitiative lanciert, die eine stärkere Anstrengung fordert, nämlich eine Senkung der Steuerbelastung um rund 430 Millionen pro Jahr – was im Zusammenhang mit den grossen strukturellen Gewinnen zu sehen ist, die der Staat seit über einem Jahrzehnt anhäuft und die im Durchschnitt über 600 Millionen CHF pro Jahr betragen.

Die Waadtländer Volksinitiative stützt sich, ebenso wie die Reform in Basel-Landschaft, in ihrer Argumentation auf interkantonale Vergleiche, die über die auf der Website der Eidgenössischen Steuerverwaltung bereitgestellten Steuerrechner leicht zugänglich sind. Diese Vergleiche zeigen zum Teil erhebliche Unterschiede, die einige Steuerzahler dazu veranlassen könnten, in mildere Steuergefilde abzuwandern.

Anregende Vergleiche

Die Feststellung dieser Unterschiede sollte als Ansporn für nicht ausreichend wettbewerbsfähige Kantone wirken, aber sicher nicht als Argument für eine einheitliche Besteuerung, wie sie manchmal gefordert wird. Im Gegenteil, die Aufrechterhaltung des Steuerwettbewerbs ist ein notwendiger Anreiz für Mässigung und Effizienz. Einige Unterschiede sind das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen, wie z.B. in Genf, das seine wohlhabendsten Steuerzahler vergleichsweise streng angeht, während die untere Mittelschicht sehr wohlwollend behandelt wird, was möglicherweise auf die hohen Lebenshaltungskosten zurückzuführen ist.

Bedenklich ist es hingegen, wenn alle Kategorien von Steuerpflichtigen höher besteuert werden als in anderen vergleichbaren Kantonen – wie heute im Fall des Kantons Waadt, was umso weniger verständlich ist, als die gesunde Finanzlage der öffentlichen Hand eine solche Anstrengung der Steuerzahler nicht erfordert.

Gute Gründe, die Besteuerung von natürlichen Personen zu pflegen

Wenn es um die Attraktivität eines Kantons für ausländische Unternehmen geht, muss verstanden werden, dass die Höhe der Unternehmenssteuern nur ein Element unter vielen ist und dass die steuerliche Behandlung von natürlichen Personen, d.h. von Führungskräften und Mitarbeitern, ebenfalls eine Rolle spielt. Darüber hinaus muss betont werden, dass eine Senkung der Steuerlast in Zeiten hoher Inflation und hoher Preise, wie wir sie derzeit erleben, eine intelligente öffentliche Politik darstellen kann. Es sei hier daran erinnert, dass im Jahr 2020, als die erste Covid-Welle den ruhigen Wohlstand der Schweiz erschütterte, die erste Reaktion der Zuger Behörden darin bestand, eine Senkung des Steuerfusses anzukündigen. Dies ist ein einfacher, schneller und effektiver Weg, um der Bevölkerung mehr Kaufkraft zurückzugeben, ohne (potentiell wahltaktische) Unterscheidungen zwischen bestimmten Kategorien von Steuerzahlern zu treffen.

Dies ist der entscheidende Fehler einiger Reformen, die sich auf Abzüge konzentrieren, die bestimmten Steuerzahlern aufgrund einer bestimmten Situation gewährt werden. Die Vervielfachung dieser Abzüge schafft ein unnötig komplexes und potentiell ungerechtes System, in dem Ungleichbehandlungen durch neue Abzüge behoben werden, was häufig dazu führt, dass die Zahl der Bürger, die keine Steuern zahlen, steigt. Eine gute Steuerpolitik ist also erst dann einfach und verständlich, wenn sie das gesamte Einkommen der gesamten Bevölkerung besteuert und einen moderaten Steuersatz anwendet, der niemanden in Schwierigkeiten bringt. Und die Progression muss, wenn sicher nicht dem Prinzip der „Flat Tax“ angeglichen, massvoll bleiben – im Gegensatz zur direkten Bundessteuer, die in vielerlei Hinsicht umstritten ist und deren Steuersatz mit steigendem Einkommen pfeilartig in die Höhe schnellt.

Alles in allem muss sich die Schweiz in Bezug auf ihre Steuern nicht schämen, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen.

Weiterführende Informationen:

ESTV: Das Schweizer Steuersystem

Artikel Credit-Suisse: Wo arbeitet man am längsten für die Steuern?

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Markus Hugentobler, Centre Patronal Bern, 22.05.2022, Besteuerung multinationaler Unternehmensgruppen



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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