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Sozialpartnerschaft: Zur Rolle eines Dachverbandes

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In jüngerer Zeit rufen die Gewerkschaften dazu auf, Streiks per WhatsApp und über andere soziale Netzwerke zu organisieren. Weiter wählte der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB ein neues Präsidium. Grund genug, wieder einmal die Vorteile einer funktionierenden Sozialpartnerschaft in Erinnerung zu rufen und auf die Rollenverteilung unter den einzelnen Playern aufmerksam zu machen.

Funktionen innerhalb der Sozialpartnerschaft

Sozialpartnerschaft lässt sich beschreiben als das kooperative Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden mit dem Ziel, Interessengegensätze durch Konsenspolitik zu lösen und offene Konflikte einzudämmen. Oder plakativ ausgedrückt: Man geht zwar nicht zusammen in die Ferien, respektiert sich aber. Jeder nimmt die ihm zugedachte Rolle wahr, vertritt diese mit Verve, um nach Austausch der gegenseitigen Argumente im Sinne der Sache eine zielführende Lösung zu finden.

Den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden kommen basierend auf ihrer Interessenlage naturgemäss verschiedene Rollen zu. Auf Arbeitnehmerseite befasst sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB als Dachverband schwergewichtig mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Er vertritt die Interessen der Arbeitnehmenden in Kommissionen mittels Eingaben und Vernehmlassungen, beschliesst Abstimmungsparolen, führt Abstimmungskampagnen, lanciert Initiativen und ergreift Referenden. Doch für die Tarif- und Lohnpolitik sind die einzelnen Gewerkschaften zuständig, nicht die Dachorganisation.

In den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Gewerkschaften (wie auf der anderen Seite der Arbeitgeberverbände) fällt selbstredend die Interessenvertretung der Mitglieder. Die Verbände können GAV-Parteien sein und die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV beantragen. Sie haben einen Verhandlungsanspruch, wenn es um die Wahrung kollektiver arbeitsrechtlicher Interessen geht, ein selbständiges Klagerecht, wenn dies die Verbandsinteressen oder Mitgliederinteressen betrifft sowie das Vorschlagsrecht für Vertreter in Einigungsämtern und Arbeitsgerichten. Weiter sind sie beteiligt an der Verwaltung sozialer Institutionen (z.B. eidgen. Arbeitskommission, AHV-Ausgleichskassen, SUVA).

Arbeitskampf, Friedenspflicht und GAV

Werden im Laufe von Auseinandersetzungen betreffend die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch die Sozialpartner Massnahmen ergriffen, die den Arbeitsfrieden stören, so spricht man von Arbeitskampf. Er bezweckt die Durchsetzung günstigerer oder die Beibehaltung bestehender Arbeitsbedingungen durch wirtschaftliche Schädigung des Gegners. Hauptformen des Arbeitskampfes sind Streik, Aussperrung und Boykott. Art. 28 Abs. 3 der Bundesverfassung hält hierzu folgendes fest: “Streik und Aussperrung sind zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen und wenn keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen.”

Arbeitnehmerverbände können rechtmässig Arbeitskämpfe auslösen und verfügen über dieses sog. Streikmonopol gemäss Art. 28 Abs. 3 BV. Wo Gesamtarbeitsverträge bestehen, muss diese Möglichkeit der Auslösung eines Streiks im Kontext der Aufgaben, die der Gesamtarbeitsvertrag in Wirtschaft und Gesellschaft erfüllt, gesehen werden. Neben dessen Schutz- und Ordnungsfunktion und der Funktion als Motor des sozialen Fortschritts ist ein Gesamtarbeitsvertrag auch eine Friedensordnung. Er verhindert Arbeitskämpfe und regelt das Verfahren zur Schlichtung allfälliger Streitigkeiten. Der Gesamtarbeitsvertrag hat als Friedensinstrument massgeblichen Anteil am Arbeitsfrieden und damit an der beispiellosen Stabilität und Prosperität der Schweiz. Der GAV ist somit weder des Teufels, noch gehört er in den Mülleimer der Geschichte. Im GAV verständigen sich partnerschaftlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Wirtschaftszweiges (oder einer Unternehmung) – nota bene ohne Eingriff des Staates oder des Gesetzgebers – sei dies auf schweizerischer oder auf regionaler Ebene. Dies ermöglicht flexible Lösungen, angepasst an spezifische Gegebenheiten. Mit Fug und Recht kann daher beim Abschluss von GAV von einer liberalen Lösung gesprochen werden.

Was heisst dies für einen Dachverband?

Die Spitzenverbände auf beiden Seiten stehen in ihrem ureigenen Interesse in der Pflicht, ihre Rollen ernst zu nehmen und ihr Handeln danach auszurichten. So griffen Aktionen des SGB zu kurz, würde er als Dachverband beispielsweise einfach als Sprachrohr der Gewerkschaften auftreten, anstatt sich seinen wirtschafts- und sozialpolitischen Kernfunktionen zu widmen.

Mit der Wahl des neuen Verbandspräsidiums ist der Wunsch verbunden, dem SGB auch in Zukunft die Ausrichtung zu geben, welche ihn als verlässlichen Sozialpartner auszeichnet.



Markus Hugentobler,
Verbandsmanager Rechtsberatung / Referent

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