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Schweiz und EU: Die Braut, die sich nicht traut

Nach dem Chaos mit dem institutionellen Rahmenabkommen Schweiz – EU, das Knall auf Fall in der bundesrätlichen Schublade verschwand, dem Durcheinander in der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, sollte jedem klar sein: Wir müssen das Verhältnis zum Verbund unseres einzigen Nachbarns, der EU, auf ein stabiles Fundament stellen. Für unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit ist dies notwendiger denn je.

Die Sackgasse

Nach sieben Jahren Verhandlungen hat der Bundesrat im Mai 2021 der EU mitgeteilt, dass er die Verhandlungen für ein Rahmenabkommen beende. Die EU hat daraufhin deutlich gemacht, dass sie die laufenden bilateralen Verträge nicht mehr aktualisieren werde und auch keine neuen Verträge mehr abschliessen wolle. Die Alltagsgeschäfte laufen zwar weiter, aber die EU setzt die Schweiz gehörig unter Druck – von der Forschung bis zum Strom. Und sie weigert sich, das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse zu aktualisieren.

Die Folge: Der Wert der bilateralen Marktzugangsabkommen bröckelt. Neue Hindernisse im EU-Binnenmarkt sind die Folge. Erste Auswirkungen der Entfremdung zwischen der EU und der Schweiz bekommen die eidgenössischen Universitäten zu spüren.

Bei „Horizon Europe“, dem grössten Forschungsförderprogramm der Welt, ist die Schweiz nur noch „assoziierter Drittstaat“. Die Schweizer Forschung hat praktisch keinen Zugang mehr zu Fördergeldern der EU.

Der Weg aus der Sackgasse führt erst einmal über Berichte. In Erfüllung der Postulate 13.3151 Aeschi Thomas, 14.4080 Grüne Fraktion und 17.4147 Naef Martin schreibt der Bundesrat einen Bericht über die Beziehungen mit der EU inklusive Beurteilung und Massnahmen zur Sicherstellung des Zugangs zum EU-Binnenmarkt. Zudem hat der Nationalrat in der aktuellen Frühlingssession ein Postulat angenommen, welches den Bundesrat beauftragt, die Möglichkeit einer EWR-Mitgliedschaft zu prüfen.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Ende Februar orientierte der Bundesrat an einer Medienkonferenz, wie es mit der EU weitergehen soll. Die entscheidenden institutionellen Fragen wie die dynamische Rechtsübernahme, die Streitbeilegung oder die Ausnahmen von der Personenfreizügigkeit sollen neu mit einem vertikalen Ansatz in den verschiedenen einzelnen Binnenmarktabkommen verankert werden. In 7 Jahren Verhandlungen konnte man für diese Fragen horizontal keine generelle Antwort finden. Deshalb sei die Frage erlaubt: Gelingt dies jetzt auf die Schnelle, indem man gesondert für jedes einzelne sektorielle Abkommen Lösungen à la carte findet?

Vertikal hin, sektoriell her, über kurz oder lang muss sich der Bundesrat den unbequemen Fragen zum Lohnschutz und zur Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie stellen. Diesen Fragen kann er nicht ausweichen. Hier bestehen mit der EU die grössten Differenzen und formiert sich auch innenpolitisch der grösste Widerstand. Das ist der gordische Knoten, den er lösen muss. Einen Weg zu gehen, wo nur über Gegenstände verhandelt wird, die vor allem die Schweiz interessieren, ist wohl realitätsfremd. Es ist daher richtig, dass der Bundesrat Gewerkschaften und Arbeitgeber frühzeitig einbezieht.

1992

Im Lauf der Verhandlungen mit der EU liess der Bundesrat die Brüsseler Kommission 2019 brieflich wissen, dass in der Schweiz „die Beteiligung der Bevölkerung bei der Festlegung [der bundesrätlichen] Politik unabdingbar“ sei. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Rahmenvertrag nie dem Volk vorgelegt wurde. Wir wissen also nicht, welche Bedeutung die Schweiz dem diskriminierungsfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt einräumt. Vom Bundesrat wissen wir, wo er steht: Er war erst für den Rahmenvertrag, dann entschieden dagegen. Verlässlichkeit gegenüber Vertragspartnern sieht anders aus.

Statt mit Pragmatismus und Augenmass Vor- und Nachteile abzuwägen, verteufelte man die fremden Richter und machte den Rahmenvertrag mies. Und dies nota bene, ohne den Souverän zu befragen und ohne Alternativen aufzuzeigen. Es sei daran erinnert, dass nach der Ablehnung des EWR das Schweizer Volk punkto EU die Lage regelmässig realistisch einschätzte und rationale Entscheide fällte. Der bilaterale Weg wurde immer wieder neu bestätigt. Der Bundesrat tut gut daran, das nicht zu vergessen.

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Philip Kristensen,
Verbandsmanager

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