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- Bern - Luc Oesch

Nachhaltige Finanzen – Die Schweiz hat einen Trumpf in der Hand

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Der Schweizer Finanzplatz sollte zu einem globalen Benchmark für nachhaltige Investitionen werden. Das jährliche Volumen der nachhaltigen Anlagen in der Schweiz hat sich in den letzten fünf Jahren bereits quasi verzwölffacht und beträgt heute mehr als 1’100 Milliarden Franken. Dies entspricht rund einem Drittel der in unserem Land verwalteten Vermögen. Diese erfreuliche Entwicklung im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens kann nur fortgesetzt werden, wenn wir an einem pragmatischen, transparenten und undogmatischen Ansatz festhalten. Statt neue Sanktionen vorzusehen, sind Anreize zu setzen damit die Schweiz einen Rahmen bietet, der nachhaltigen Investitionen förderlich ist.

Beeindruckendes Wachstum von Angebot und Nachfrage

Der Trend, in Produkte zu investieren, die sogenannte ESG-Kriterien (Environment, Social and Governance) erfüllen, setzt sich vor allem in der Schweiz immer mehr durch. Während das jährliche Volumen nachhaltiger Investitionen in der Schweiz bis 2014 deutlich unter 100 Milliarden Franken lag, explodierte es ab 2015 buchstäblich und erreicht heute über 1‘100 Milliarden Franken. Institutionelle Anleger, insbesondere Pensionskassen, sind die eigentlichen Pioniere auf diesem Gebiet. So belief sich beispielsweise das Volumen der von institutionellen Anlegern nach Nachhaltigkeitskriterien verwalteten Vermögen Ende 2019 auf mehr als 480 Milliarden Franken, was rund 30% der gesamten in der Schweiz verwalteten institutionellen Vermögen entspricht. Die von Centre Patronal verwalteten Vorsorgegelder tragen dazu bei, da nachhaltige Investitionen regelmässig und seit mehreren Jahren berücksichtigt werden.

Sind nachhaltige Investitionen rentabel?

Investoren haben lange Zeit gedacht, dass sie sich bei nachhaltigen Investitionen mit einer geringeren Rendite zufrieden geben müssten. Vor allem das Angebot, aber auch die Nachfrage, nach nachhaltigen Produkten waren noch sehr bescheiden und mögen dazu beigetragen haben. Heute zeigen die Finanzmärkte, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit aktiv in ihre Strategie integrieren, gegenüber ihren Konkurrenten zunehmend besser positioniert sind. Nachhaltige Investitionen bieten attraktive Möglichkeiten und können einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Risiko- und Ertragsprofils eines Portfolios leisten.

Infolgedessen ändern sich die Anliegen der Investoren, insbesondere in der Schweiz. Wurden früher nur beste Ertragsaussichten gesucht, geht es jetzt darum, möglichst auch zu einer positiven globalen Klima- und Umweltentwicklung beizutragen. Beispielsweise beurteilen die Manager nachhaltiger Fonds Unternehmen anhand spezifischer Kriterien, wie CO2-Emissionen, Verbrauch fossiler Brennstoffe, Geschäftspolitik gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten sowie die Art und Weise, wie das Unternehmen verwaltet, geleitet und kontrolliert wird (insbesondere hinsichtlich dem internen Kontrollsystem und der Vergütungspolitik). Diese Kriterien ermöglichen den Fondsmanagern, diejenigen  Unternehmen auszuwählen, welche am besten für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sind.

Beibehaltung der pragmatischen rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Schweizer Finanzplatz erfolgreich gemacht haben

An seiner Sitzung vom 24. Juni 2020 hat der Bundesrat einen Bericht und Richtlinien zur Nachhaltigkeit des Finanzsektors verabschiedet. Ziel ist es, die Schweiz zu einem der weltweit führenden Zentren für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu machen. Zu diesem Zweck will der Bundesrat die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu verbessern und den Finanzsektor in die Lage zu versetzen, die nachhaltige Entwicklung wirksam zu unterstützen. Dazu gehören die Erhöhung der Transparenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Verbesserung der Rechtssicherheit.

Das Ziel ist lobenswert, und die Schweiz hat in dieser Hinsicht sicherlich gute Chancen. Nichtsdestotrotz wird dieses Projekt von einer Reihe von Massnahmen begleitet, von denen einige dem angestrebten Ziel zuwiderlaufen könnten. Die Gefahr einer Überregulierung muss dabei sogfältig bedacht werden. Als Beispiel sei hier die Aufnahme strenger nachhaltiger Investitionskriterien genannt, welche die Investitionsentscheidungen de facto einschränken und Innovationen bremsen würden.

In Bezug auf die zweite Säule schreibt das Gesetz (BVG) zu Recht vor, dass Pensionskassen ihr Vermögen so verwalten sollen, dass die Sicherheit der Anlagen, eine angemessene Rendite, eine angemessene Risikostreuung und die Deckung des vorhersehbaren Liquiditätsbedarfs gewährleistet sind. Unter dem Blickwinkel von ESG-Fragen gesetzgeberisch tätig zu werden, mag legitim sein. Doch ist unsere Wirtschaft nicht zwingend auf eine Gesetzgebung in diesem Bereich angewiesen. Das bereits jetzt schon beachtliche Wachstum des Volumens nachhaltiger Investitionen ist ein gutes Abbild unserer wirtschaftlichen Dynamik. Angebot und Nachfrage, akzentuiert durch das globale Bewusstsein, haben diesen Anstieg ermöglicht. Daher besteht keine Notwendigkeit für einen inflationären Regulierungsrahmen. Vielmehr ist angezeigt, sich auf eine Politik der Schaffung von Anreizen und des Bewusstseins der unternehmerischen Verantwortung zu konzentrieren. Dieser Ansatz hat schon heute zum Erfolg des Schweizer Finanzplatzes beigetragen. Damit wird ermöglicht, auch in Zukunft die dringend benötigte Wettbewerbsfähigkeit – gerade in einer durch COVID-19 mit Unsicherheiten behafteten Zeit – zu erhalten. Vermeiden wir von Ideologien oder Modeströmungen diktierte Exzesse. Verfolgen wir stattdessen einen verantwortungsvollen, pragmatischen, transparenten und undogmatischen Ansatz, um nachhaltige Investitionen weiter zu fördern! 



Luc Oesch,
Directeur des finances et des institutions de prévoyance

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