- Bern - Markus Hugentobler
FlaM: Missbrauch zu verhindern, ist die gesetzliche Vorgabe – adäquate Kontrollen sind das Mittel dazu!
Die flankierenden Massnahmen wurden zum Schutz der Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen eingeführt. Sie erfüllen Dank effektiven und effizienten Kontrollen ihren Zweck. Die jüngste Kritik der Eidgenössischen Finanzkontrolle verkennt Grundlegendes, basiert auf einem nackten Zahlenvergleich und zieht deshalb falsche Schlüsse.
EFK simplifiziert auf anfallende Kosten
18 Jahre ist es her, seit sich der Schweizer Arbeitsmarkt gegenüber der EU geöffnet hat. Liberalisiert wurden der Stellenantritt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz sowie die Erbringung von Dienstleistungen bis 90 Tage. Mit den flankierenden Massnahmen (FlaM), insbesondere gezielten Ex-post-Kontrollen, soll verhindert werden, dass ausländische Unternehmen in der Schweiz Lohn- und Sozialdumping betreiben. Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) fielen im Jahr 2021 rund sechs Prozent der Schweizer Arbeitgeber und jeweils ein Drittel der ausländischen Dienstleistungserbringer sowie der Selbständigerwerbenden unter eine Kontrolle.
In ihrem Bericht vom 22. Juni 2022 monierte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), es würden zu viele Kontrollen bei ausländischen Unternehmen durchgeführt, die in der Schweiz tätig seien. Unbefriedigend seien auch eine festgestellte Doppelspurigkeit und Mehrfachkontrollen, wenn ausländische Unternehmen, die während des Jahres in unterschiedlichen Kantonen tätig seien, von mehreren Kontrollorganen geprüft würden, ohne dass ein Informationsaustausch stattfinde. Weiter würden auch problemlose Unternehmen überprüft, um die zwischen Bund und Kantonen vereinbarte Kontrollquote zu erfüllen. Solches gelte es zu verhindern, zumal weniger Kontrollen für die Schweizer Arbeitnehmenden keine negativen Konsequenzen hätten. Die EFK hält zusammengefasst fest, dass ausländische Unternehmen im Vergleich zum Risiko, das sie «für den Arbeitsmarkt darstellen», zu häufig kontrolliert werden, die Kontrollen deshalb zu teuer sind, und sie hat entsprechende Empfehlungen ausgesprochen.
SECO und Sozialpartner sehen das grosse Ganze
Das SECO reagierte umgehend und betonte, der Lohnunterschied gegenüber dem Ausland sowie „die hohe Verstossquote“ rechtfertigten den Kontrollanteil der meldepflichtigen Dienstleistungserbringer. Man werde die Empfehlung der EFK, die Kontrollen zu reduzieren, „nicht umsetzen“. Die Gewerkschaften argumentieren, gerade dank der Kontrollen stehe die Schweiz im Bereich des Lohndumpings im Vergleich mit anderen Ländern deutlich besser da. Auch Arbeitgeberverband und Gewerbeverband weisen die meisten EFK-Empfehlungen zurück, besonders die Empfehlung, „die Kontrollen von Entsendebetrieben zu reduzieren“ und sagen, dass der Bericht die Bedeutung der flankierenden Massnahmen zu wenig würdige.
Der Gesetzgeber hat für die flankierenden Massnahmen einen dezentralen und dualen Vollzug gewählt, der den regionalen und branchenspezifischen Gegebenheiten am besten Rechnung trägt. Die meisten Beurteilungen und Empfehlungen der EFK fokussieren einseitig auf die Kosten, gehen über den bestehenden rechtlichen Rahmen hinaus und stellen das Funktionieren der Sozialpartnerschaft in Frage. Gänzlich ausgeklammert wird im Bericht die präventive Wirkung der Kontrollen, denn trotz der FlaM ist die Schweiz für ausländische Anbieter attraktiv, sie verzeichnet viele Entsendungen.
Zugegeben, von den Kontrollen können zwar auch Schweizer Betriebe betroffen sein. Aufgrund des hohen Lohngefälles werden ausländische Dienstleistungserbringer jedoch zu Recht öfter kontrolliert, denn Schweizer Arbeitgeber werden aufgrund unserer Gesetzgebung nicht nur viel gründlicher und auf mehrere Jahre rückwirkend kontrolliert, sondern sie unterliegen zusätzlichen Kontrollen in den Bereichen Schwarzarbeit, Gesundheitsschutz und Sicherheit.
Starker Franken und Fachkräftemangel verlangen griffige FlaM
Wertet sich der Franken weiter auf, so wird die Schweiz für ausländische Arbeitskräfte noch attraktiver. Das ist aufgrund des durch Corona verstärkten Arbeitskräftemangels in gewissen Branchen nicht unerwünscht. Bei den aktuell rückläufigen Arbeitslosenzahlen geht dies auch nicht zu Lasten inländischer Arbeitskräfte.
Im Übrigen baut auch die EU den Lohnschutz aus und zielt damit in eine ähnliche Richtung wie die FlaM: Anfang Jahr trat die neue EU-Entsenderichtlinie in Kraft, welche sich am Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ orientiert. Anfang Juni 2022 einigten sich die EU-Staaten und das Europaparlament zudem auf einheitliche Standards für Mindestlöhne.
Wenn die FlaM keine Erfolgsgeschichte wären, würden sie dann vom Ausland im Ansatz adaptiert werden? Wohl kaum! Sind wir also stolz auf das gut funktionierende System der Schweiz für Schutz vor Lohn- und Sozialdumping. Andererseits muss betont werden, dass diese Kontrollen, auch wenn sie zahlreich erscheinen mögen, unerlässlich sind, damit die Personenfreizügigkeit in der Schweiz politisch und gesellschaftlich akzeptiert bleibt.
Ihre Schwächung würde daher ein zusätzliches Risiko für die Fortsetzung der bilateralen Beziehungen mit der EU bedeuten, die auch ohne diese schon kompliziert genug sind.
Weiterführende Informationen:
EFK Bericht 20062: Prüfung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit
Thematisch verwandter Beitrag:
Pierre-Gabriel Bieri 23.01.2020: Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit