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- Bern - Thomas Schaumberg

Extreme Agrarinitiativen: Grosser Schaden für Wirtschaft und Verbraucher

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Am 13. Juni 2021 stimmt die Schweiz über die Pestizidfrei-Initiative sowie die Trinkwasser-Initiative ab. Beide Initiativen bezwecken ein komplettes Verbot von synthetischen Pestiziden. Die Folgen für die Schweizer Landwirtschaft, die Lebensmittelbranche und die Konsumenten wären gravierend. Vorzuziehen ist daher ein alternativer Vorschlag des Parlaments, der den Pestizideinsatz auch ohne Totalverbot deutlich senken würde.

Initiativen fordern Totalverbot

Die Volksinitiative „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ (Pestizidfrei-Initiative) möchte den Einsatz synthetischer Pestizide in der landwirtschaftlichen Produktion, der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sowie in der Boden- und Landschaftspflege verbieten. Zudem soll die Einfuhr von Lebensmitteln, die mithilfe von synthetischen Pestiziden hergestellt wurden, verboten werden. Künftig sollen in der Schweiz also nur noch Lebensmittel zum Verkauf gelangen, die nicht unter Einsatz von synthetischen Pestiziden produziert wurden. Die Initiative wird unter anderem unterstützt von Bio Suisse, Pro Natura, der Kleinbauernvereinigung, Greenpeace und dem Fischereiverband.

Ebenfalls am 13. Juni kommt die Volksinitiative „Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz“ (Trinkwasserinitiative) zur Abstimmung. Diese fordert, dass nur noch diejenigen Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden, die keine Pestizide einsetzen, ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung auskommen und deren Tierbestand mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann. Der Druck auf die Landwirtschaft wird also indirekt aufgebaut. Faktisch läuft dies ebenfalls auf ein Verbot von Pestiziden hinaus, da die meisten Landwirtschaftsbetriebe auf die Direktzahlungen angewiesen sind.

Ernteausfälle und steigende Preise

Eine Studie der Universität St. Gallen kommt zum Schluss, dass ein Verzicht auf synthetische Pestizide zu massiv sinkenden Ernteerträgen führen und der Selbstversorgungsgrad der Schweiz von aktuell 58 auf 42 Prozent sinken würde. Dies kann nicht im Interesse einer sicheren Landesversorgung sein!

Die Schweiz hat schon heute im europäischen Vergleich die höchsten Preise für Lebensmittel, diese kosten rund 70 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt. Bei einer Annahme der Initiative könnten die Lebensmittelpreise in der Schweiz langfristig um mehr als 50 Prozent steigen. Auf Kosten der Verbraucher! Dies würde den Einkaufstourismus unnötig fördern. Für den Schweizer Detailhandel wären schmerzhafte Umsatzverluste zu befürchten. In den Jahren vor der Corona-Krise flossen jeweils rund 10 Milliarden Franken (oder knapp 11% der gesamten Detailhandelsumsätze) in die Nachbarländer. Hinzu kommt, dass nicht nur die Lebensmittelpreise steigen würden, sondern die Verbraucher in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt werden, da viele Lebensmittelprodukte nicht mehr hergestellt oder importiert werden könnten. Dies führt zu Konflikten mit dem WTO-Abkommen, den EU-Abkommen und anderen Freihandelsverträgen. 

Leicht vergessen geht auch, dass die Lebensmittelindustrie keine synthetischen Biozide (z.B. Reinigungs- und Desinfektionsmittel) mehr einsetzen dürfte, da diese zu den Pestiziden gehören. Ohne solche ist eine einwandfreie Lebensmittelqualität nicht mehr gewährleistet und die Haltbarkeit der Produkte sinkt. Grosse Mengen Lebensmittel müssten unnötig weggeworfen werden.

Die Schweizer Bauern wären von den Initiativen ebenfalls massiv betroffen. Beim Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist beispielsweise mit Ertragseinbussen von 40 Prozent bei Mais und 60 Prozent bei Kartoffeln zu rechen. Es liegt auf der Hand, dass die Ernteausfälle zu sinkenden Einkommen in der Landwirtschaft führen. Wenn die Bauern die Voraussetzungen der Trinkwasser-Initiative nicht erfüllen können, werden ihnen die Direktzahlungen gestrichen.

Reduktion statt Verbot

Das Thema Pestizide beschäftigt die Bevölkerung. Auch wenn die beiden Initiativen zu extrem und nicht zielführend sind, ist es wichtig, alternative Lösungen anzubieten. Seit Jahren gibt es zahlreiche Bestrebungen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken.

Dazu gehören unter anderem der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel und die Strategie Antibiotikaresistenzen. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel möchte der Bund die Risiken halbieren und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz fördern. Zudem gibt es im Parlament Vorstösse, um via Gesetzgebung den Einsatz von Pestiziden weiter zu senken. Dazu gehört zum Beispiel die parlamentarische Initiative „Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren“. So sollen die Risiken durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln für Gewässer, Trinkwasser und naturnahe Lebensräume bis 2027 um 50 Prozent gesenkt werden. Die Beratung ist im Parlament fast abgeschlossen.

Bundesrat und Parlament lehnen die extremen Agrarinitiativen ohne Gegenvorschlag ab. Es ist zu hoffen, dass auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne mehrheitlich zweimal „Nein“ stimmen und so den Weg freimachen für alternative Lösungen zur deutlichen Reduktion des Gebrauchs von Pestiziden. 



Thomas Schaumberg,
Verbandsmanager

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