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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Eine schwere Krise, gezielte öffentliche Hilfe und die Notwendigkeit wirtschaftlicher Solidarität

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Der allgemeine Rahmen für die Wirtschaftshilfe des Bundes steht aktuell auf drei operationellen Säulen. Diese Hilfe ist weitreichend und grosszügig, aber sie wird in der schweren Krise, wo alle Opfer erbringen müssen, weder alle Probleme lösen noch finanzielle Verluste verhindern. Parallel zur Intervention des Staates muss auch die Solidarität unter den Wirtschaftsakteuren spielen.

Der dritte Pfeiler der Bundeshilfe

Fünf Tage nach Ankündigung des Hilfsprogramms hat der Bundesrat die Modalitäten der Hilfe definiert, nach denen die Unternehmen in Liquiditätsengpässen bei ihren Banken Kredit erhalten: Darlehen bis zu 500’000 Franken zu einem Zinssatz von 0%, rückzahlbar innert 5 Jahren, und höhere Darlehen mit einer Bankenprüfung zu einem Zinssatz von 0,5%. Hier besteht Handlungsbedarf: Während den ersten drei Tagen gingen mehr als 30’000 Gesuche ein, die unverzüglich eine Genehmigung bekamen und ausbezahlt wurden. Das sind 6,6 Milliarden Franken – von den insgesamt 20 Milliarden Kredithilfen, die geplant wurden. Die Wahl des Instruments «Kredite» erlaubt es, gemäss Staatssekretärin Ineichen-Fleisch, die Vergabekontrolle zu begrenzen und schneller zu handeln.

Das sich seit Mitte März abzeichnende 3-Säulen Modell der Wirtschaftshilfe des Bundes ist jetzt bekannt. Erstens: Mit der Kurzarbeitsentschädigung werden die Löhne bezahlt. Zweitens: Selbständigerwerbende, die wegen behördlichen Massnahmen direkt Erwerbsausfälle erleiden, bekommen eine Entschädigung. Der Fall von Selbständigerwerbenden, die nur indirekt betroffen sind, ist noch nicht geregelt. Eine Entschädigung basierend auf dem gleichen Modell ist zu prüfen. Drittens: Unternehmen mit Liquiditätsengpässen erhalten per sofort Kredite, die in der grossen Mehrheit sofort und kostenlos gewährt werden.

Dem Bundesrat ist Anerkennung dafür zu zollen, dass er ein solches noch nie dagewesenes Hilfspaket in der Rekordzeit von 10 Tagen zusammengeschnürt hat. In diesem Paket muss nun jeder die Hilfe finden, die er braucht, um die Krise zu meistern. Gleichzeitig gilt aber auch: Niemand kommt in dieser äusserst schwierigen Notlage ungeschoren davon.

Keine Wunderheilmittel vom Staat

Manch einer stellt bitter fest, dass diese Hilfe des Staates nicht alle Probleme löst. Nun, alleine die Vorstellung, dass der Staat dies schaffen kann, ist falsch. Gewiss, das aktuelle Hilfspaket hat Optimierungspotenzial, wie oben erwähnt und insbesondere auch mit Blick auf die Höhe der verfügbaren finanziellen Beiträge – niemand soll im Regen stehen. Gleichzeitig muss aber allen klar sein, dass der Staat nicht alle Verluste – klein und gross – verhindern kann. Die aktuelle Bedrohung unserer Gesundheit lähmt gewisse Aktivitäten unserer Wirtschaft mehr als andere; aber machen wir uns nichts vor: Jeder von uns in allen Wirtschaftszweigen wird zum einen oder anderen Zeitpunkt Opfer erbringen.

Von den Dächern hört man es pfeifen, dass die Hilfe des Staates ungenügend sei. Ungenügend mit Blick auf was? Es handelt sich um eine Nothilfe, welche die Auswirkungen der Krise abmildern und den Kern unserer Wirtschaft schützen muss, damit diese nach dem Ende der Bedrohung nicht vollständig in Trümmern liegt. Ein Fundament, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen und zwar schnell! Wir können aber von der öffentlichen Hand nicht verlangen, dass sie einen Schock von dieser Grössenordnung völlig verdaut.

Eigenverantwortung muss die Hilfe des Staates komplettieren

Hat die Hilfe des Staates auch Grenzen, so schränkt sie die Solidarität, darüber hinauszugehen, nicht ein. Im Gegenteil: Die Solidarität ist in dieser Zeit, trotz der Hilfe des Staates, mehr denn je gefragt. Zigfach wurde es schon gesagt: Die Wirtschaft ist eine Kette, die nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied.

In der aktuellen Krise trifft es viele hart, während andere vorläufig verschont bleiben, weil sie entweder ihre Tätigkeit fortführen oder ihren Lohn weiterhin erhalten. Trocknet der Austausch von Waren und Dienstleistungen aus, verdienen die einen weniger und die anderen geben weniger aus. Jeder ist daher gefordert, seinen Beitrag dafür zu leisten, dass die vielen Glieder der Kette Wirtschaft intakt bleiben und möglichst ein Maximum an Handelsbeziehungen bis zum Ende der Krise aufrechterhalten bleibt. Auf diese Weise können wir die Höhe des Preisschildes beeinflussen, welches wir alle am Ende bezahlen müssen.

Glücklicherweise ist das alles nicht nur graue Theorie: Viele beginnen im Angesicht ungewisser Hilfe damit, ihren Beruf und ihre Tätigkeit neu zu erfinden, um sich ein Einkommen zu sichern. Viele beginnen auch, da sie von der Krise weniger betroffen sind als andere, Zahlungsaufschübe zu gewähren, Darlehen abzuschreiben, Zahlungen zu beschleunigen oder Hilfe in anderer Form anzubieten. Diese aktive Eigenverantwortung ist als Ergänzung zur Hilfe des Staates zwingend notwendig.



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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