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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Ein gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Umbruch

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Die in den letzten Tagen von den Behörden des Bundes und der Kantone beschlossenen Massnahmen verändern sowohl das gesellschaftliche Leben als auch die wirtschaftliche Tätigkeit. Für letztere sind wichtige Massnahmen angekündigt worden, die noch zu präzisieren sind und die ausgebaut werden könnten.

Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen

Angesichts der raschen Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 entwickelten sich die Massnahmen der Bundes- und Kantonsbehörden zwischen dem 13. und 16. März sehr rasch. Nun fallen all diese Massnahmen in die Bundeszuständigkeit und sind mindestens bis zum 19. April gültig. Details finden Sie auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit (www.bag.admin.ch).

Kurz gesagt: Geschäfte, Märkte, Schulen, Stätten der Bildung, Kultur, Unterhaltung, Erholung und des Sports sollen geschlossen bleiben. Lebensmittelgeschäfte, Kioske, Banken, Postämter, Verwaltungsbüros, Bahnhöfe und Hotels dürfen geöffnet bleiben – allerdings nur, wenn die Anzahl der anwesenden Personen begrenzt ist und die Sicherheitsabstände eingehalten werden.

Öffentliche Verkehrsmittel sollten so weit wie möglich vermieden werden, auch wenn sie ein reduziertes Angebot aufrechterhalten. Wo immer möglich, werden die Arbeitgeber
aufgefordert, gestaffelte Arbeitszeiten zu vereinbaren oder Telearbeit zuzulassen; Arbeitnehmende, die gefährdet sind und nicht im Home Office arbeiten können, sollten
zu Hause bleiben und erhalten ihren Lohn trotzdem. Öffentliche oder private Versammlungen sind verboten – letztere unterliegen manchmal kantonalen Vorschriften, die eine Grenze von fünf oder zehn Personen festlegen. Betroffen sind auch die Vereinsaktivitäten.

Grenzkontrollen wurden wieder eingeführt, und die Einreise ist nur noch für Schweizer Staatsangehörige, Personen mit einem Aufenthaltstitel in der Schweiz sowie Personen, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz reisen müssen, erlaubt. Der Transit und der Transport von Gütern sind weiterhin erlaubt. Gleichwertige Massnahmen wurden von den Nachbarstaaten ergriffen. Die Armee schliesslich unterstützt die Kantone in den Bereichen medizinische Versorgung, Logistik (Transport) und Sicherheit.

Diese Massnahmen sind aus gesundheitlicher Sicht notwendig, um die Ausbreitung des
Virus zu stoppen, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden und Leben zu retten. Gleichzeitig ist klar, dass diese Massnahmen zu einem sehr starken wirtschaftlichen Abschwung führen und das Einkommen der Bevölkerung bedrohen. Der Bundesrat hat deshalb auch wichtige Entscheidungen zur Unterstützung der Unternehmen getroffen.

10 Milliarden Nothilfe

Details zu den wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen sind auf der Website des SECO (www.seco.admin.ch) zu finden. Insgesamt wird Nothilfe im Umfang von rund 10
Milliarden Franken bereitgestellt. Der Grossteil davon (8 Mrd. CHF) wird zur Finanzierung der Kurzarbeit („Kurzarbeitsentschädigung“, KAE) verwendet, um in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, die Arbeitsplätze zu erhalten und nach der Krise schnell wieder in Gang zu kommen. Die Zugangsbedingungen werden vereinfacht und beschleunigt, und der Kreis der Begünstigten könnte erweitert werden.

Neben der Finanzierung der Kurzarbeit umfasst das Nothilfepaket auch eine finanzielle Unterstützung von 1 Milliarde Franken, von welcher besonders von Liquiditätsproblemen betroffene Unternehmen profitieren können. Weiter umfasst das Paket (rückzahlbare) verbürgte Bankkredite für KMU in Schwierigkeiten. 580 Millionen Franken stehen den vier anerkannten Schweizer Kautionsstellen zur Verfügung, und die Zugangsbedingungen werden gelockert. Schliesslich wird ein Teil der Hilfe für Sport und
Kulturorganisationen und -veranstaltungen vorgesehen.

Auch Zahlungsfristen müssen erstreckt werden

Die Bereitschaft des Bundesrates, rasch zu handeln, um die Wirtschaftstätigkeit zu unterstützen, ist zu begrüssen, wobei der Schwerpunkt auf Massnahmen zur Sicherung der Lohnfortzahlung liegt. Die Kurzarbeit ist ein wirksames Instrument für Unternehmen, die mit einem deutlichen Rückgang der Tätigkeit konfrontiert oder nicht in der Lage sind, die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu gewährleisten; sie ist jedoch nicht sehr flexibel, und insbesondere die Erweiterung des Kreises der Begünstigten erfordert eine Gesetzesänderung. Darüber hinaus ist die Kurzarbeit zwar eine erhebliche Hilfe für die Arbeitgeber, aber sie löst nicht die Probleme der vielen Selbständigen ohne Arbeitnehmende, welchen ihre Kunden knapp werden oder ganz ausbleiben.

In diesem Sinne ist die Schaffung eines Unterstützungsfonds von einer Milliarde Franken zu begrüssen. Aber wer wird Anspruch auf Leistungen haben und unter welchen Bedingungen? Es ist bereits eine Rivalität zwischen den Wirtschaftssparten spürbar, die sich den grössten Anteil sichern wollen. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, welche wichtige Rolle die Berufsverbände bei der Ermittlung der Bedürfnisse ihrer Mitglieder und, soweit möglich, bei der Kanalisierung der öffentlichen Hilfe spielen können.

Eine andere Form der Hilfe, welche Präsident Macron in Frankreich ausdrücklich hervorstrich, sollte in der Schweiz ebenfalls weniger zurückhaltend debattiert werden: Sie liegt darin, es Unternehmen in Schwierigkeiten ermöglichen, einen Teil ihrer Kosten durch Erstreckung der Zahlungsfristen sanktionslos aufzuschieben. Diese Möglichkeit wird im Hinblick auf die AHV-Beiträge geprüft. Sie könnte sinnvollerweise auch für andere Verwaltungslasten auf kantonaler und Bundesebene in Betracht gezogen werden. Die Eidgenossenschaft, deren Finanzen in guter Verfassung sind, wäre sicherlich in der Lage, die Erhebung der Mehrwertsteuer auszusetzen und auf bessere Tage zu verschieben.

Themenkreis der öffentlichen Gesundheit (Website des BAG): www.bag.admin.ch
Wirtschaftliche Aspekte (SECO): www.seco.admin.ch
Informationen von Centre Patronal: www.centrepatronal.ch/bern (auf deutsch) 
oder www.centrepatronal.ch/coronavirus (auf französisch)



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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