- Bern, Politik, Wirtschaft - Martin Troxler
Der staatliche Fussabdruck ist überraschend gross
Das Beschäftigungsvolumen im öffentlichen Sektor der Schweiz hat ein beträchtliches Ausmass angenommen, wenn die staatlichen und staatsnahen Unternehmen mitberücksichtigt werden. Dies wird befeuert durch Wachstumsraten, welche deutlich höher sind als in der Privatwirtschaft. In der Bundesverwaltung wird das Stellenwachstum zudem durch einen deutlichen Anstieg der im Vergleich zum Privatsektor bereits hohen Durchschnittslöhne und eine Akademisierung begleitet. Dies wirft grundsätzliche Fragen auf.
Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor wächst dynamisch
Mit der anfangs September publizierten Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern unter der Leitung von Professor Dr. Christoph A. Schaltegger liegt nun eine interessante und aufsehenerregende Wasserstandsmeldung zum Beschäftigungsvolumen im öffentlichen Sektor vor. Aufgrund der zunehmenden Unschärfe in der Trennung von staatlichen, staatsnahen und privaten Aktivitäten geben die offiziellen Statistiken in der Regel ein verfälschtes Bild des staatlichen Fussabdruckes in der Schweiz wieder. Werden nebst der öffentlichen Verwaltung von Bund, Kantonen und Gemeinden auch die staatlichen und staatsnahen Unternehmen zum Beschäftigungsvolumen hinzugezählt, betrug gemäss der Studie der Anteil des öffentlichen Sektors an der Gesamtbeschäftigung in der Schweiz im Jahr 2019 satte 16,6%, was die in den offiziellen Statistiken ausgewiesenen 9,7% erheblich übersteigt.
Beunruhigend ist nicht nur dieser hohe Anteil, sondern auch die Dynamik dahinter. Gemäss der Studie wuchs die Beschäftigung (gemessen in Vollzeitäquivalenten) im öffentlichen Sektor zwischen 2011 und 2019 mit 12% überdurchschnittlich stark, verglichen mit einer Wachstumsrate von 9,7% im privaten Sektor. Unschön ist zudem die Erkenntnis, dass einer der Haupttreiber des Verwaltungswachstums bei Bund, Kantonen und Gemeinden in den allgemeinen Verwaltungsausgaben zu orten ist. Höhere Beschäftigungsausgaben des öffentlichen Sektors sind nicht a priori volkswirtschaftlich schädlich, doch gerade dieser Kategorie von öffentlichen Ausgaben haftet der Ruf an, dass sie das Wirtschaftswachstum des privaten Sektors tendenziell hemmt.
Sowohl das Beschäftigungsvolumen des öffentlichen Sektors wie auch die staatlichen, kaufkraftbereinigten Verwaltungsausgaben sind damit auch in der Schweiz beträchtlich. Der Schweiz haftet immer noch der Ruf eines Landes mit einer schlanken und effizienten Verwaltung an, doch im europäischen Vergleich bewegen wir uns gemessen an Pro-Kopf-Werten bei beiden Kennzahlen nicht in der Spitzengruppe, sondern im europäischen Mittelmass.
Die Bundesverwaltung im Expansionsmodus
Die Personalkosten der Bundesverwaltung für ihre rund 40’000 Angestellten sind von 5 Milliarden Franken im Jahr 2011 um rund 20% auf 6 Milliarden Franken angestiegen. Dies liegt einerseits am Personalwachstum, andererseits aber auch an steigenden Löhnen. Gemäss dem eidgenössischen Personalamt ist der Durchschnittslohn im letzten Jahrzehnt um 6,5% gewachsen.
Die Bundesverwaltung ist eine grosszügige Arbeitgeberin, auch wenn man das durchschnittliche Bruttoerwerbseinkommen betrachtet. Dieses betrug im Jahr 2019 für eine Vollzeitstelle 117’176 Franken, verglichen mit 88’896 Franken in der Privatwirtschaft. Die Werte für die Kantone, Gemeinden und öffentlichen Unternehmen liegen dazwischen und sind somit auch höher als der Durchschnitt in der Privatwirtschaft.
Einer der Gründe für diese doch eklatanten Unterschiede ist der Trend zur Akademisierung in der Bundesverwaltung. Diese ist in den letzten 10 Jahren mit 17% deutlich angestiegen, verglichen mit einer Rate von 8% bei den kantonalen Verwaltungen und 4% bei den Gemeinden. Gleichzeitig nimmt der Anteil der gering Qualifizierten ab. Aufgrund dieser zunehmenden Akademisierung und Spezialisierung ist es wenig verwunderlich, dass die Personalkosten des Bundes gemäss der Studie ab 2008 mit jährlich 2,8% deutlich stärker wuchsen als bei den Kantonen (2,4%) oder den Gemeinden (1,6%). Damit geht jedoch auch eine Verschiebung zwischen den staatlichen Ebenen einher, was sich mit den schweizerischen Pfeilern der Subsidiarität und des Föderalismus nur schlecht verträgt.
So viel Staat wie nötig, so wenig wie möglich
Angesichts dieser Zahlen, die sich nur bedingt mit dem in der Bevölkerung verankerten Selbstbild der Schweiz decken, stellen sich einige grundsätzliche Fragen. Welche Grösse an öffentlichem Sektor benötigt die Schweiz und ab welcher Grösse wird der staatliche Fussabdruck wachstumshemmend? Wieviel Grenznutzen für Bevölkerung und Wirtschaft stiftet eine zusätzliche Verwaltungseinheit? Welche Aufgaben und Tätigkeiten können dem privaten Sektor überlassen werden? Mit welchen Mitteln kann einem ungebremsten Wachstum des staatlichen Sektors Einhalt geboten werden?
Das Wesen der Bürokratie und deren eigentümlichen Drang zur stetigen Ausweitung kennt man nicht nur aus dem öffentlichen Sektor, sondern zum Teil auch aus Grossunternehmen. Marktmechanismen spielen bei monopolistischen Strukturen nur bedingt, sei dies im öffentlichen oder im privaten Sektor. Doch anders als im Privatsektor haben die Bezüger von staatlichen Angeboten oftmals keine Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln.
Daneben stellen sich angesichts des wachsenden Fussabdrucks des Staates weitere wichtige Fragen, wie etwa bezüglich der verbesserungswürdigen Governance in öffentlichen und staatsnahen Unternehmen oder den zunehmenden Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen, welche aufgrund ihrer Staatsnähe oftmals über längere Spiesse als private Marktteilnehmer verfügen. Die Studie bietet eine exzellente Grundlage, um die Diskussion über eine drohende weitere Ausdehnung des öffentlichen Sektors zu intensivieren.
Weiterführende Informationen:
Studie des Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Universität Luzern
Bericht des SECO: Staatlicher Fussabruck
Schweizer Monat: Dossier “Macht der Verwaltung”
Themenverwandter Beitrag:
Martin Kuonen, Centre Patronal Bern, 07.03.2019: Öffentliche und private Anbieter: gleich lange Spiesse