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- Bern - Pierre-Gabriel Bieri

Attraktive Berufsbildung, Herausforderungen in der akademischen Ausbildung

Attraktive Berufsbildung und akademische Ausbildung. Abbildung zeigt die Siegerehrung der Berufs-Schweizermeisterschaften SwissSkills 2022 in der Postfinance-Arena Bern

Junge Berufsleute aus der ganzen Schweiz standen einmal mehr im Mittelpunkt der SwissSkills-Meisterschaften 2022, die eine bemerkenswerte Plattform für die Förderung der Berufsbildung darstellen. Gleichzeitig gibt es auf der Seite der akademischen Ausbildung den paradoxen Wunsch, die Studiendauer zu verlängern und den Eintritt der jungen Absolventen in das Berufsleben unnötig zu verzögern.

Berufsbildung im Fokus…

Die Schweizer Berufsmeisterschaften, SwissSkills, fanden letzte Woche in Bern statt. An den fast 90 Wettbewerben nahmen über 1’000 junge Lernende teil – darunter einige der besten aus dem ganzen Land. 279 Teilnehmende durften eine Medaille und die Glückwünsche von Bundesrat Guy Parmelin entgegennehmen. An dieser Veranstaltung nahmen rund 120’000 Personen teil, darunter 64’000 Schülerinnen und Schüler. Die nächste Ausgabe wird 2025 stattfinden.

Ziel dieser Meisterschaften ist es, jungen Menschen Anregungen für ihre berufliche Zukunft zu geben, indem sie den Weg der Berufsausbildung, die Vielfalt und den Reichtum der vorgestellten Berufe sowie die Möglichkeiten der Spezialisierung und Weiterbildung innerhalb der Branchen hervorheben. Für die Auszubildenden, die an den Wettbewerben teilnehmen, ist es eine Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen, sich in anspruchsvollen und wertschätzenden Projekten zu übertreffen und so die Freude an ihrer Ausbildung zu verstärken. Zusammenfassend kann man sagen, dass SwissSkills eine bemerkenswerte Plattform zur Förderung der Berufsbildung und insbesondere der dualen Ausbildung – in Betrieb und Schule – ist.

Eine solche Förderung ist willkommen und notwendig, denn das Schweizer Berufsbildungssystem trägt zur Stärke und zum Erfolg der Schweizer Wirtschaft bei. Angesichts der manchmal spürbaren Versuchung, die akademische Ausbildung zu bevorzugen oder ihr eine prestigeträchtigere Aura zu verleihen, erinnern die SwissSkills-Meisterschaften glücklicherweise daran, dass die Berufslehre keine „zweite Wahl“ ist, sondern das wichtigste Tor zum Berufsleben darstellt, indem sie den Nachwuchs in Berufen ausbildet, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft absolut unerlässlich sind.

… während sich die akademischen Studien verlängern

Die Betonung des beruflichen Weges bedeutet natürlich nicht, dass die akademische Ausbildung vernachlässigt werden darf. Diese muss ein hohes Anspruchsniveau beibehalten und gleichzeitig auf eine vielfältige und erfüllende berufliche Laufbahn vorbereiten. In dieser Hinsicht ist die derzeitige Tendenz, die Studiendauer unnötig zu verlängern, zu bedauern. Diese Tendenz ist vor allem auf universitärer Ebene zu beobachten, wo in den letzten 15 Jahren schrittweise das Bologna-System eingeführt und sich die Masterstudiengänge verbreitet haben. Sie zeigt sich heute aber auch in der Absicht des Bundes, auf der Ebene der Sekundarstufe eine einheitliche Mindestdauer von vier Jahren für die gymnasiale Ausbildung einzuführen.

Diese Neuerung wird mehrere Westschweizer Kantone betreffen, die derzeit eine dreijährige gymnasiale Ausbildung kennen. Die neue Verordnung über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAV), die diesen Sommer und bis Ende dieses Monats in die Vernehmlassung geschickt wurde, würde ihnen eine Mindestdauer von vier Jahren vorschreiben, wobei das Hauptargument in der besseren Vergleichbarkeit der Maturitätszeugnisse liegt. Diese Vereinheitlichung beruht jedoch nicht auf einer Statistik, die es ermöglichen würde, die Erfolgsquote der Absolventen jedes Kantons bei der Aufnahme eines Hochschulstudiums (Universitäten oder Fachhochschulen) oder die Quote der Maturanden, die ein Hochschulstudium abbrechen, zu vergleichen; ein solcher Vergleich wäre notwendig, um die Überlegenheit eines vierjährigen Gymnasiums zu belegen.

Die Herausforderung, sich an die Realität der Berufswelt anzupassen

Die neue Verordnung enthält positive Elemente und sollte nicht pauschal abgelehnt werden, aber der obligatorische Übergang zu einer vierjährigen Maturität ist nicht vertretbar. Ein solches Obligatorium bringt nicht nur zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf Finanzierung, Logistik, Räumlichkeiten und Lehrkräfte mit sich, sondern ist vor allem auch gegen die Interessen der Jugendlichen gerichtet, da jedes zusätzliche Jahr ihren Eintritt ins Berufsleben und damit ihre finanzielle Unabhängigkeit verzögert – und zudem den Aufbau ihres Vorsorgekapitals verlangsamt. Ein immer längeres Studium ist umso weniger gerechtfertigt in einer Zeit, in der von jedem Einzelnen erwartet wird, dass er sich während seines gesamten Berufslebens weiterbildet, sei es, um sich an die Entwicklung seines Berufs anzupassen oder um neue Berufe zu erlernen. In der heutigen Welt sollte ein wachsender Anteil der Ausbildung das Berufsleben begleiten und nicht etwa verzögern.

Die Anpassung an die Realität der Berufswelt ist eine Herausforderung, die von der Berufslehre mit Bravour gemeistert wird. Der akademische Weg hat zwar eine andere Ausrichtung, sollte aber nicht zu weit von diesem Bestreben abweichen.

Weiterführende Informationen:

Über SwissSkills: Aufbau und Struktur

Artikel in “Die Volkswirtschaft” (WBF, SECO): Ist Bildung eine rentable Investition?

Themenverwandter Beitrag:

Martin Kuonen, Centre Patronal Bern, 23.11.2018: Eine Woche im Zeichen der Berufsbildung



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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