- Bern - Markus Hugentobler
Abstimmung Covid-19-Gesetz: Esel gemeint – Sack geschlagen
Am 13. Juni 2021 wird das Stimmvolk über das Schicksal des Covid-19-Gesetzes befinden können. Das Referendumskomitee hält es für unnötig und zielt auf die Machtbefugnisse des Bundesrats. Eine Ablehnung des Gesetzes träfe aber vor allem Branchen, welche als Corona-Verlierer dringend auf bereits beschlossene Unterstützungsleistungen angewiesen sind.
Diffuse Ängste, welche sich nicht bewahrheiteten
Das Covid-19-Gesetz beschlägt zahlreiche Massnahmen verschiedener Natur, u.a. betreffend Gesundheitsversorgung, Arbeitnehmerschutz, Ausländer, Justiz, Verfahren, Insolvenz und Versorgungssicherheit. Des Weiteren regelt das Gesetz insbesondere die Unterstützung für Arbeitnehmende bei Kurzarbeit, von Unternehmen bei Härtefällen, von Selbständigen durch die EO, von Unternehmern, welche Arbeitnehmende ihres eigenen Unternehmens sind, als auch spezifische Unterstützungsmassnahmen für Sektoren wie Kultur, Medien und Veranstaltungen.
Unter der Federführung des Vereins „Freunde der Verfassung“ ist Anfang 2021 das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz zustande gekommen. Das Referendum will verhindern, dass notrechtliche Kompetenzen des Bundesrates während der Pandemie nachträglich legitimiert und bis Ende 2021 verlängert werden. Im Zeitpunkt der Abstimmung am 13. Juni 2021 wird das Gesetz bereits während rund neun Monaten in Kraft sein. Zudem hat das Parlament in der Frühjahrssession das Covid-19-Gesetz bereits abgeändert und zusätzlich mit neuen Hilfsprogrammen ergänzt.
Das Referendumskomitee betont, das Covid-19-Gesetz sei unnötig, denn der grösste Teil des Gesetzes befasse sich mit Finanzierungsleistungen, welche der Bundesrat auch ohne notrechtliche Kompetenzen mit Bundesbeschlüssen beschliessen könnte. Ausserdem stehe dem Bundesrat bei einem erneuten Aufflammen der Pandemie wieder das Instrument der Notverordnungen zur Verfügung. Weiter werde mit dem Covid-19-Gesetz ein Impfobligatorium mit schwach geprüften Impfstoffen möglich; Medikamente könnten im Schnellverfahren zugelassen werden. Der Bund bestreitet dies. Und seit Inkrafttreten des Gesetzes haben sich denn solch diffuse Ängste der Referendumsführer auch in keiner Art und Weise verwirklicht.
Dilemma und offene Fragen
Einerseits regelt das Gesetz besondere Befugnisse des Bundesrates zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie und andererseits im Rahmen der Bewältigung der Auswirkungen der Bekämpfungsmassnahmen gleichzeitig die Wirtschaftshilfen an viele KMU, welche in sträflicher Missachtung der verfassungsrechtlich garantierten Wirtschaftsfreiheit ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden. Wird das Covid-19-Gesetz also am 13. Juni 2021 an der Urne abgelehnt, werden nicht nur die Machtbefugnisse des Bundesrats in Frage gestellt, sondern es werden auch bereits zugesagte Wirtschaftshilfen wieder dahinfallen. Das ist das grosse Dilemma.
Als dringliches Gesetz wird das Covid-19-Gesetz am 25. September 2021, ein Jahr nach Inkrafttreten, ausser Kraft gesetzt, sollte die Mehrheit des Volkes dagegen stimmen. Alle getroffenen Massnahmen wären dann gestoppt. Die bereits ausgezahlten Beihilfen müssten zwar nicht zurückgezahlt werden, aber es wäre nicht mehr möglich, neue Beihilfen zu zahlen. Wo bleibt da die Gleichbehandlung? Die Ablehnung dieses Gesetzes führte auch zu schwierigen Abgrenzungsfragen bezüglich des Endes der Wirtschaftshilfen. Nicht nur, dass beispielsweise unklar ist, ob Unternehmen noch für Schäden entschädigt werden könnten, welche eintraten, als das Gesetz in Kraft war; auch wäre fraglich, ob die Kantone nach dem Auslaufen des Gesetzes noch diejenigen Beihilfen vom Bund zurückfordern könnten, welche sie den Unternehmen gewährt hatten, als das Gesetz noch galt. Damit würde bei einer Ablehnung querbeet Rechtsunsicherheit hervorgerufen.
Falsche Opfer
Abgestimmt wird am 13. Juni 2021 weder über die Masken- noch die Homeofficepflicht noch darüber, wie lange Restaurants geschlossen sein sollen, noch über Einschränkungen in Eishockey- und Fussballstadien noch über Terrassen in Skigebieten noch über Impfungen. All diese Themen regelt der Bundesrat auf der Grundlage des Epidemiengesetzes, welches das Stimmvolk im Jahr 2013 angenommen hat, damals (noch) mit deutlicher Mehrheit.
Bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes entfiele jedoch bereits per 25. September 2021 u.a. die Grundlage für die wirtschaftlichen Hilfen an KMU und Härtefallbranchen wie Gastronomie, Tourismus, Eventbranche und Kultur. Gegen diese Hilfen wird kaum eine Mehrheit ernsthaft etwas einzuwenden haben. Bei einer Ablehnung des Gesetzes würden aber genau diese Branchen geopfert.
Die Stimmbevölkerung ist eingeladen, Pro und Contra mit Augenmass sorgfältig abzuwägen. Sind ein paar staatspolitisch wohl heiklere Fragen angezeigt, um die bereits jetzt stark leidenden Unternehmen der Privatwirtschaft noch stärker in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu gefährden? Wir meinen klar nein!