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- Aussenwirtschaft, Energie & Umwelt, Parlament, Politik, Wirtschaft - Thomas Schaumberg

Nachhaltigkeitsregulierung: Weniger ist mehr

Nachhaltigkeitsregulierung: Weniger ist mehr. Das Bild enthält die 3 Buchstaben ESG sowie deren Begriffserklärung ausgeschrieben als Enviromental, Social und Governance vor einer grünen Waldlandschaft als Hintergrund.

Nachhaltigkeitsregulierung: Weniger ist mehr. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 21. März 2025 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, mögliche Varianten für eine pragmatische Änderung der aktuellen Gesetzgebung zur nachhaltigen Unternehmensführung auszuarbeiten. Er will die aktuellen regulatorischen Entwicklungen in der EU abwarten. Dies ist zu begrüssen, denn die Schweiz braucht eine international gut abgestimmte und flexible Regulierung, um ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern zu können.

Das Schweizer Nachhaltigkeitsmodell

In der Schweiz gelten seit Anfang 2022 strengere Regeln für die Nachhaltige Unternehmensführung. Grosse Unternehmen von öffentlichem Interesse (börsenkotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitenden) sind verpflichtet, über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) zu berichten. Die Regelung lehnt sich an die vormalige EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (NFRD) an. Die Pflichten sind mit einer Strafbarkeitsbestimmung hinterlegt. In sensiblen Bereichen wie Kinderarbeit und Konfliktmineralien gelten zudem besondere Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten.

Der Bundesrat prüft schon seit längerem eine Verschärfung dieser Regeln. In diesem Zusammenhang hat er im Sommer 2024 eine Vorlage zur Änderung des Obligationenrechts in die Vernehmlassung geschickt, um die Berichterstattungspflichten auf mehr Unternehmen auszudehnen. Zahlreiche kritische Stimmen aus der Wirtschaft betonten in den Vernehmlassungsantworten, dass die Wirtschaft und insbesondere KMU nicht noch mehr belastet werden dürfen und sprachen sich gegen die Vorlage aus.

Die Schweiz hat mit ihrem pragmatischen und umsichtig gestalteten Nachhaltigkeitsmodell bisher gute Erfahrungen gemacht. Das aktuelle Schweizer Modell orientiert sich an globalen Standards der UNO und der OECD, berücksichtigt aber gleichzeitig die Besonderheiten der Schweizer Wirtschaft. Unternehmen haben in diesem Rahmen bereits erhebliche Fortschritte erzielt, insbesondere in den Bereichen Transparenz und Sorgfaltspflichten. 

Kurswechsel in der EU?

Im Februar 2025 präsentierte die Europäische Kommission das «Omnibus-Paket». Dieses hat das Ziel, die Nachhaltigkeitsvorschriften zu vereinfachen. Im Mittelpunkt steht der Abbau bürokratischer Hürden und die wirtschaftliche Entlastung der Unternehmen – mit potenziellen Einsparungen von bis zu 6,3 Milliarden Euro. Diese Richtlinien sind Teil des «Green Deal». Dieser startete als ehrgeiziges Nachhaltigkeitsvorhaben, die Vielzahl an geforderten Daten brachte aber zahlreiche Unternehmen an ihre Grenzen. Der überbordende Regulierungsansatz wurde deshalb von zahlreichen Wirtschaftsverbänden, Unternehmen und der Politik immer stärker kritisiert.

Die neuen Massnahmen der EU zielen darauf ab, Nachhaltigkeitsvorgaben wirtschaftsfreundlicher zu gestalten, ohne das ursprüngliche Ziel – den Schutz von Umwelt und Menschenrechten – zu gefährden. Zu den wichtigsten Erleichterungen gehört unter anderem ein stark reduzierter Anwendungsbereich: Rund 80 % der Unternehmen werden von der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ausgenommen. Eine vollumfängliche Berichterstattung gilt nur für grosse Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 1’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR. Die Berichterstattung für Unternehmen, die bisher nicht in den Anwendungsbereich der EU-Taxonomie-VO fallen, verschiebt sich um 2 Jahre (auf 2027 als erstes Berichtsjahr).

Wichtig ist auch die geplante Vereinfachung der Sorgfaltspflichten, welche sehr deutlich ausfällt. Solche Pflichten sollen nur noch auf die direkten Geschäftspartner fokussieren und KMU und kleinere Unternehmen sollen dadurch entlastet werden, dass eine Begrenzung der von ihnen geforderten Informationen zur Lieferkettenanalyse vorgesehen wird. Besonders bemerkenswert ist, dass die kontrovers diskutierten Haftungsbedingungen entfallen sollen und die Bussenhöhe stark nach unten angepasst wurde. Abgerundet wird das Paket durch wesentliche Vereinfachungen beim CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Die Diskussionen in der EU haben erst angefangen, es bleibt nun abzuwarten, was von der sehr detaillierten Regulierung nach den Beratungen im Parlament und im EU-Rat noch übrigbleibt.

Schweiz muss Spielräume nutzen

Gerade in einem globalisierten Umfeld sollte sich die Schweiz keine isolierten Alleingänge leisten. Sie muss ihre Regeln so gestalten, dass sie international kompatibel bleiben und zugleich ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Denn auch im Bereich der Nachhaltigkeitsregulierung gilt: Wer Unternehmen mit überbordender Bürokratie und ausufernder Regulierung belastet, gefährdet nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Der Massstab muss daher sein, dass der Aufwand für die Erstellung eines Sorgfaltsberichtes für ein KMU machbar sein muss, ohne auf teure interne oder externe Fachleute zurückgreifen zu müssen.

Die Schweizer Wirtschaft braucht eine global abgestimmte und gleichzeitig mit der EU kompatible Regulierung. Durch Überregulierung und Bürokratie geschaffene Wettbewerbsnachteile sind zwingend zu vermeiden. Die Schweiz sollte einerseits abwarten, bis sich konkret zeigt, wie weit die Anpassungen auf Stufe EU effektiv gehen, und andererseits gleichzeitig ihre bestehende Regulierung kritisch hinterfragen.

In der Diskussion nicht vergessen werden darf dabei die neue Schweizer Konzernverantwortungsinitiative, die sich eng an die Lieferkettenrichtlinie der EU (CSDDD) anlehnen will und am 7. Januar 2025 lanciert wurde. Angesichts der aktuellen internationalen Entwicklungen zeigt sich: Die Initiative schiesst wieder weit über das Ziel hinaus und ist abzulehnen!

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Nachhaltigkeitsregulierung: Weniger ist mehr

EU Commission: Corporate sustainability due diligence

EU Commission: Carbon Border Adjustment Mechanism




Thomas Schaumberg,
Verbandsmanager

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