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Eigenmietwert: ein komplett entgleistes Projekt

Eigenmietwert: ein komplett entgleistes Projekt. Das Bild zeigt eine Person vor einem Miniature-Haus sitzend am Tisch, beim Kalkulieren von Steuern und Kosten.

Eigenmietwert: ein komplett entgleistes Projekt. Wir haben das Vorhaben des Parlaments, den Eigenmietwert abzuschaffen, in unserer Publikation zu den wichtigsten Geschäften der Wintersession kurz angesprochen. Das Geschäft verdient es, hier nun etwas ausführlicher beleuchtet zu werden. Unabhängig davon, wie sehr man das Wohneigentum fördern will, muss man feststellen, dass die nun vorgeschlagenen Änderungen im DBG und im StHG unbefriedigend, ungeschickt und absurd sind. Eine Rückweisung ist daher angebracht.

Eine unlösbare Gleichung

Im aktuellen Steuersystem wird Personen mit Wohneigentum ein fiktives Einkommen, der sogenannte „Eigenmietwert“, angerechnet. Damit soll der Vorteil ausgedrückt werden, dass diese Personen keine Miete für ihre Wohnung zahlen müssen. Der Eigenmietwert treibt die Steuerrechnung zusätzlich mit den anderen Einkünften in die Höhe, was aber durch den Abzug von Schuldzinsen für einen Hypothekarkredit sowie der Instandhaltungs- und Renovierungskosten ausgeglichen werden kann. Der Effekt auf die Steuerlast hängt demnach von der individuellen Situation des Eigentümers ab.

Die Besteuerung des Eigenmietwerts ist regelmässig Gegenstand von Kritik und Anfechtungen. Während die Praxis im Ausland unüblich ist, stellt sie in der Schweiz das einzige „Nutzungseinkommen“ dar, welches von den Steuerbehörden berücksichtigt wird. Zudem ist der Vorteil, keine Miete zahlen zu müssen, für manche Eigentümer nicht immer offensichtlich, da sie für den Kauf ihres Hauses Eigenkapital in Höhe von mehreren Jahresmieten aufbringen mussten.

Seit gut zwanzig Jahren sind mehrere Versuche, das System zu ändern, an einer schier unlösbaren Gleichung gescheitert: Wenn die Besteuerung des Eigenmietwerts abgeschafft wird, führt dies in einer gewissen steuersystematischen Logik auch zur Abschaffung der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen sowie von Instandhaltungs- und Renovierungskosten, was die Situation mancher Eigentümer verschlechtern oder negative Anreize schaffen kann. Wenn man sich über diesen logischen Zusammenhang hinwegsetzt und diese Abzüge beibehält, dann fühlt sich der Fiskus geschädigt – und Mieterschützer prangern sofort ein ungerechtfertigtes Geschenk an Eigentümer an, welche unabhängig von der individuellen Situation gerne und pauschal als privilegiert angesehen werden.

Ein neuer Anlauf

Im Jahr 2017 startete die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats dennoch einen neuen Versuch und reichte die parlamentarische Initiative 17.400 mit dem Titel „Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung“ ein. Diese fordert die Abschaffung des Eigenmietwerts für den Hauptwohnsitz, wobei darauf geachtet werden soll, dass dies „möglichst“ keine Auswirkungen auf die Steuereinnahmen habe und „keine unzulässigen Disparitäten“ zwischen Mietern und Wohneigentümern entstehen – bei gleichzeitiger Beibehaltung der Förderung des Wohneigentums. Die Quadratur des Kreises lässt grüssen…

Das Dossier hat eine parlamentarische Odyssee durchlaufen, die von Wendungen und Flickwerk geprägt war. Heute scheint sich ein Kompromiss abzuzeichnen, der den beiden Räten in der nun beginnenden Session vorgelegt werden soll. Er sieht vor, den Eigenmietwert auch auf Zweitwohnungen abzuschaffen (im Gegensatz zu dem, was ursprünglich geplant war). Als Ausgleich dazu würden interessierte Kantone ermächtigt werden, eine spezielle „Objektsteuer“ auf Zweitwohnungen zu erheben (parlamentarische Initiative 22.454 in Verbindung mit 17.400). Was die derzeit zulässigen Abzüge betrifft, so würden diese fast vollständig verschwinden.

Die vorgeschlagenen Änderungen – sowohl im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer als auch im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden – sind eindeutig unbefriedigend, ja geradezu absurd. Trotz all des guten Willens das Privateigentum zu fördern, verdient es der aktuell vorgeschlagene Text abgelehnt zu werden.

Eine Ansammlung von Ungeschicktheiten

Erstens würde durch die Abschaffung des Abzugs für Instandhaltungs- und Renovierungskosten gleichzeitig ein Anreiz beseitigt, die Immobilien in gutem Zustand zu halten – oder, für diejenigen, die dennoch Instandhaltungen vornehmen, ein Anreiz, diese gesetzlich zu deklarieren. Dies ist keine wünschenswerte Entwicklung. Zweitens, und das ist noch weniger verständlich, würde just zu einem Zeitpunkt, an dem Immobilienbesitzern ebenso ehrgeizige wie kostspielige Ziele für die energetische Sanierung gesetzt werden, jede Möglichkeit abgeschafft (zumindest auf Bundesebene), Energie- oder Umweltinvestitionen steuerlich abzusetzen. Weiss die Politik eigentlich, was sie will?

Letztlich ist es aber der Schuldzinsabzug, bei dem das Projekt definitiv ausser Kontrolle gerät. Denn durch die Umformulierung der entsprechenden Bestimmungen ist ein schwer verständlicher Text entstanden, der nach Ansicht einiger autorisierter Beobachter über den Immobilienbereich hinausgeht und künftig jeglichen Abzug von Schuldzinsen (auch solche, die nicht an Immobilien gebunden sind, insbesondere auch für Kleinkredite), verhindern soll. Damit würde die Revision über den ursprünglich gesetzten Rahmen hinausgehen. Wie dem auch sei, der neue Wortlaut der Artikel 33 Abs. 1 Bst. a DBG und Art. 9 Abs. 2 Bst. a StHG ist unglaublich ungeschickt.

Diese Anhäufung von Mängeln erfordert eine Rückweisung, sowohl im Ständerat (am 12. Dezember) als auch im Nationalrat (am 16. Dezember). Es muss nach besseren Alternativen gesucht werden, um das Wohneigentum zu fördern.

Weiterführende Informationen zum Beitrag “Eigenmietwert: ein komplett entgleistes Projekt”



Pierre-Gabriel Bieri,
Responsable politique institutions et sécurité

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